Die Recherche zu diesem Text endete für Gastautorin Julia Malz mit einer erschütternden Erkenntnis: Johnny Castle, der Lonely Wolf unter den Tanzlehrern und der Grund, warum Frances ‚Baby‘ Houseman in ‚Dirty Dancing‘ schwerverliebt die Treppe hoch- und runtertanzt, ist eigentlich ein Macho. Zumindest erfüllt er einen Großteil der Kriterien, die einen Macho ausmachen
Zugegeben – ich habe mir schon seit geraumer Zeit keine Gedanken mehr über Machos gemacht. In meiner Wahrnehmung sind sie größtenteils in den 90ern in viel zu engen Jeans mit den Village People von der gesellschaftlichen Bühne getanzt. Einzeln begegnet man ihnen heute kaum noch, wenn überhaupt wohl am ehesten in Grüppchen bei großen Sportveranstaltungen, im Spa oder auf Tuning-Messen. Apropos Village People – in ihrem Lied ‚Macho Man‘ landen sie eine ganz treffende Zeile: ‚He is the special god son in anybody’s land.‘ Eine gelungene Kurzbeschreibung der Selbstwahrnehmung eines Mannes der Kategorie Macho, auch Mister Ego genannt.
Die Mädelsrunde, in der ich die Definitionsblase Macho herumreichte, hatte ebenfalls nur noch vage Vorstellungen davon, was einen Mann eigentlich genau als Macho klassifiziere. Die Antworten wiesen dann allerdings unisono in Richtung biertrinkender Chauvi-Prolet. Von ‚Trägt ein Rippshirt und sagt immer Schätzchen‘ bis hin zu ‚Macht nie etwas selbst und reisst nur Witze auf Kosten von uns‘ war alles dabei. In der Runde waren sich eigentlich alle einig, dass das nun wirklich keine Frau mehr braucht und sucht und an ihrer Seite wissen möchte. Aber warum eigentlich nicht? Der Softie steht – als emotionales Gegenstück zum Macho – ja auch nicht ganz oben auf der Wunschliste.
Natürlich suchen wir in einem männlichen Gegenüber Authentizität, Gelassenheit und Ehrlichkeit, vielleicht eine Ahnung von Verletzlichkeit. Aber auf der Gegengeraden wünschen wir uns Selbstbewusstsein, ein ‚Hier stehe ich und kann nicht anders‘ und auch ein gutes Körpergefühl. Tun wir dem modernen Macho also vielleicht unrecht? Und was zeichnet ihn denn nun genau aus? Sieht man einmal von den ganzen Klischeerutschen wie Brusttoupet, Goldkettchen und prolligen Witzen in zu engen Muskelshirts ab, gehören Machos zu der Gattung derer, die ihre Männlichkeit stets unter Beweis stellen möchten und dies in deutlich männlichem Verhalten aushalten. Das ist per se nichts Schlechtes. Denn es bedeutet im Idealfall auch, dass sie gerne anpacken, wenn es ums Grobe geht, dass sie auch mal ansagen können, wo es langgeht und genügend Selbstbewusstsein mitbringen, um im Leben und in den Laken nicht alle zehn Minuten vor Selbstzweifeln zusammenzubrechen. Auf der Streichliste sind wiederum übertriebenes Imponiergehabe, konservative Ansichten zu Kinder, Küche und Kirche und offensiv-aggressives Verhalten.
Vielleicht ist es auch hier wieder der Mix, der das Geheimnis ist. Ein ‚Half Macho‘ ist dann wahrscheinlich der beste Griff in die Beziehungskiste. Insofern kann ich Johnny Castle an dieser Stelle doch noch rehabilitieren: Er trägt zwar viel zu enge bis gar keine Shirts, ist extrem von sich selbst überzeugt und legt eindeutig aggressive, narzisstische Eigenschaften an den Tag, allerdings weint er im Film mindestens zweimal und sieht zu, dass niemand sein ‚Baby‘ in die Ecke stellt. Die weibliche Entsprechung zum Macho ist übrigens die Tussi. So findet am Ende doch noch jeder Topf seinen Deckel!