Antwort: Sie zeigen Anzeichen einer “passiven Beziehungsverweigerung”
Sie schreiben, Sie haben Angst vor dem, was bei einer Therapie zu Tage kommen würde. Angst ist vermutlich genau das, was Ihre Partnersuche prägt: nämlich Bindungsangst. Das empfinden Sie möglicherweise gar nicht so, weil Sie ja aktiv nach einem Partner suchen und sich Mühe geben, Kontakte zu knüpfen und zu vertiefen, doch durch Ihr Verhalten sorgen Sie dafür, dass Nähe nicht entstehen kann.
Solche passiven Beziehungsverweigerer haben zahlreiche Werkzeuge: Interesse nur an unerreichbaren, vergebenen Partnern, an Urlaubsflirts, an emotional blockierten Männern oder so hohe Ansprüchen, dass einfach niemand in Frage kommen kann. Manche Betroffene klagen auch, dass sie sich so gut wie nie verlieben können, dass die erreichbaren Partner alle irgendwann unerträgliche Fehler aufzeigen würden oder schlicht der „Funke nicht überspringen“ würde.
Nach Ihrer Schilderung scheint Ihr Bindungsverhalten mal ängstlich und mal vermeidend, das heißt, Sie geben alles, um einen Partner von sich einzunehmen, Sie erleben diese Bemühungen auch regelrecht euphorisierend, weil Ihr Bindungssystem dadurch aktiviert wird, dass der vermeintlich unerreichbare Partner überzeugt werden muss. Ganz besonders stark verspüren Sie das vielleicht sogar, wenn der beispielsweise ein vermeidender Bindungstyp ist, also früh zu verstehen gibt, dass er für eine Beziehung nicht in Frage kommt. Diese Aktivierung des Bindungssystems ist jedoch keine Verliebtheit, sondern Ihr geprägtes Programm, um Nähe zu erreichen. Sobald Sie diese jedoch finden, kickt Ihre Furcht vor Nähe ein und Ihr Bindungsverhalten wird vermeidend. Denn insgeheim fürchten Sie, Ihre Autonomie in einer Partnerschaft zu verlieren, sich aufgeben zu müssen auf Kosten Ihrer Selbstverantwortung. Dieses Wechselspiel vom Bedürfnis nach Nähe und Distanz reibt Sie auf und frustriert Sie.
Die Folge ist, dass Ihr verletztes Selbstwertgefühl immer weiter geschwächt wird. Aus dieser Position der Schwäche werden vermeintlich starke Partner immer interessanter – doch diese erweisen sich im Kontakt eben nicht als stark, sondern nur auf der Suche nach Anerkennung. Besonders schmerzhaft ist, dass Sie bereits zu Beginn eines Kontaktes wissen, wie er enden wird. Doch ohne Optimismus kann keine Partnerschaft entstehen. Ich denke auch, dass Sie längst durchaus ahnen, dass Sie nicht an die Falschen geraten, sondern dass Sie sich diese wählen.
Wie kommen Sie aus diesem Kreislauf heraus? Zunächst, falls Ihnen das gelingt, wählen Sie künftig alle potentiellen Partner ab, die sich vermeidend geben oder unerreichbar scheinen. Sie winken auch keinem besetzten Taxi. Ersparen Sie sich den Frust. Lassen Sie sich ausschließlich auf Menschen ein, die sich für Sie wirklich interessieren und denen Sie Zeit geben können, Gefühle von Sicherheit und Nähe mit Ihnen gemeinsam langsam aufzubauen. Das sind vermutlich genau jene Männer, die Sie als „zu nett“ bezeichnen.
Der Grund liegt möglicherweise in einer heimlichen Überzeugung, dass Sie „nicht gut genug sind“. Aus diesem Glaubenssatz heraus könnten Sie nämlich diese „netten“ Männer nicht ernst nehmen. Weil Sie mit sich nicht im Reinen sind, ist Ihnen rätselhaft, wie jemand mit klarem Menschenverstand Sie toll finden kann. Sie werten diese Personen ab, um sich zu schützen.
Wenn es Ihnen gelingt, sich auf erreichbare Männer einzulassen, sehe ich keinen Notwendigkeit für eine Therapie. Mit einem Partner mit einem sicheren Bindungssystem werden Sie Ruhe finden und Ihr Selbstwert wird stärker. Fällt Ihnen das jedoch dauerhaft schwer, sollten Sie tatsächlich mit professioneller Hilfe daran gehen, Ihre Muster zu erkennen und zu verändern.
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