Antwort: Legen Sie sich nicht zu früh und ohne weitere Unterstützung auf ein Bindungsmodell als Grund Ihrer Konflikte fest
Was Sie beschreiben, ist ein bekanntes Modell von unterschiedlichen Bindungsstilen. Meist ist das auf der einen Seite ein ängstlicher, auf der anderen ein vermeidender Bindungstyp. Ob Sie oder Ihr Partner darunter fallen, lässt sich seriös aus der Entfernung nicht beurteilen. Das ist nur in einer Beratungssituation mit Ihnen oder gemeinsam mit Ihrem Partner durch einen Experten möglich. Ich möchte deshalb an dieser Stelle auch nur theoretisch bleiben.
Ein ängstliches oder vermeidendes Bindungsverhalten bedeutet nicht unbedingt, dass Sie keine glücklichen Beziehungen führen können. Nach Studien haben etwa über die Hälfte der Menschen ein sicheres Bindungsverhalten, die übrigen sind zu ähnlichen Teilen ängstlich oder vermeidend. Außerdem gibt es noch in geringerer Anzahl Mischformen.
Es könnte ein Indiz sein, weshalb so viele Singles eher an ängstliche oder vermeidende Typen geraten, als an sichere – doch das ist ein Aspekt vor allem für die Partnersuche.
Einige Verhaltensweisen, beispielsweise die eines ängstlichen Bindungstypen, tun ja ihm und dem Partner gut: Sein Bemühen, seine Verbindlichkeit, sein Ausdruck von Anerkennung und Lob. Richtig ist allerdings, dass viele Menschen – vor allem mit extremen Ausprägungen ihres Bindungsverhalten – unter den Folgen dieser Dynamik leiden. In solchen Fällen ist oft eine psychologische oder therapeutische Begleitung anzuraten. Allerdings darf man nicht vergessen, dass eben der Gegenpart, also der neue Kontakt oder der Partner, eine entscheidende Rolle spielt. Sein Verhalten “triggert” das Bindungssystem des Gegenübers. Das bedeutet: Ob Sie nun ein vermeidendes, ein ängstliches oder sicheres Bindungsverhalten haben, wie glücklich Sie sich damit fühlen, hat sehr viel mit Ihrem Partner und auch mit Ihrer Partnerwahl zu tun. In manchen Büchern über Bindungsverhalten kann ein Leser den Eindruck gewinnen, jedes Verhalten, das nicht “sicher” ist, müsse behandelt werden. Davon bin ich nicht überzeugt.
Ein populäres Werk über das Thema Bindungsangst ist das Buch “Nah und doch so fern: Beziehungsangst und ihre Folgen” von Julia Sokol und Steven Carter. Es beschreibt das Phänomen, in diesem Modell “aktive und passive Bindungsangst” genannt, sehr anschaulich. Empfehlenswert finde ich auch das aktuellere “Wer bist du, wenn du liebst” von Amir Levine und Rachel Heller. Beide Bücher machen deutlich, welche Vielfalt es im Bindungsverhalten gibt und dass es nicht möglich ist, diese in “richtig” oder “falsch” einzuordnen. Bevor Sie jedoch nach der Lektüre über eine Eigendiagnose grübeln, suchen Sie besser externe Unterstützung.
Um auf Ihre konkrete Frage einzugehen: Ich kann nicht beurteilen, ob eine vierwöchige Pause für Sie als Paar tatsächlich geeignet ist, um sich wieder näher zu kommen. Pauschal lässt sich das nach meiner Erfahrung auch nicht festmachen, da jede Partnerschaft individuell ist. Ich sehe aber kein Problem, dass Sie Ihre Gedanken darüber mit Ihrem Partner besprechen. Manipulation wäre in meinen Augen, würden Sie nun Ihr Wissen einsetzen wollen, um sein Bindungssystem zu aktivieren, ohne dass er bemerken dürfte, was da geschieht.
Offenheit und Transparenz hingegen kann Ihnen beiden die Möglichkeit geben, zu prüfen, ob Ihr Eindruck tatsächlich zutrifft. Möglicherweise interpretieren Sie ja einige Verhaltensweisen anders, nachdem Sie mit Ihrem Partner darüber gesprochen und seine Perspektive erfahren haben. Sie schreiben, dass eine Fortsetzung Ihrer Beziehung nur möglich ist, wenn Sie beide an den Ursachen der Trennung arbeiten. Mein Rat wäre, dies nun nicht alleine zu tun. Bücher informieren zwar, aber sie ersetzen nicht das Gespräch mit einem Spezialisten, um einzuordnen, welche nun genau Ihre Anteile sind und ob sich diese Dynamik tatsächlich so verhält, wie Sie das vermuten.
unerhörtehrlich
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