unerhört: Mein Mann sieht ständig Pornos

Pornografie ist überall verfügbar. Darunter leiden viele Beziehungen. Unsere Leserin beklagt, dass ihr Partner die virtuelle Lust ihr vorzieht

Antwort: Vielleicht steckt dahinter eine unbewusste Angst, Erwartungen nicht erfüllen zu können

Ob Ihr Partner typisches Suchtverhalten zeigt, lässt sich aus Ihrer Beschreibung nicht eindeutig herauslesen. Offenbar sprechen Sie darüber und er konsumiert nicht heimlich. Das heißt, dass da immer noch eine Vertrauensbasis besteht, was Hoffnung auf positive Veränderungen macht.

Der klinische Sexualpsychologe Christoph Ahlers berichtet von Fällen, in denen Männer Pornografie konsumieren, weil sie so keinen Leistungsdruck und keine Furcht vor Zurückweisung erleben. Die Ursache der Bevorzugung von Filmen gegenüber dem echten Liebesspiel ist danach nicht Desinteresse an der Partnerin, sondern eine unbewusste Angst, Erwartungen nicht erfüllen zu können. Filme sind leicht zu konsumieren, Pornografie weist nicht zurück, wertet nicht, stellt keine Anforderungen …

Heute ist der Leistungsdruck auf unsere Sexualität enorm.

Nicht nur durch jene frei zugänglichen Filme, in der jeder Mann und jede Frau scheinbar immerzu wollen und können, sondern auch durch die Kommerzialisierung von Sex. Überall wird Paaren versprochen, dass durch ein paar neue Toys und schicke Wäsche ein befriedigendes Liebesleben käuflich erwerbbar wäre. Experimente machen guten Sex noch besser, aber schlechten oder wenig Sex bekommen Sie dadurch dauerhaft nicht verändert. Im Gegenteil kann sich der Eindruck festigen, dass es gar nicht um Lust aufeinander, sondern um Lust an Toys und Wäsche geht.

Leistungsdruck und vermeintliche Vorbilder aus unrealistischen Darstellungen haben ganz sicher Einfluss auf die Erwartungen an sich selbst und den Partner. Konsum von erotischen Filmen kann eine Flucht aus solchen Zwängen darstellen. Dabei geht der Partnerschaft jedoch Sex als Bindung verloren, denn Intimität zeigt ja dem Partner auch: Ich mag dich anfassen, du bist anziehend, ich will dir ganz nah sein. Sex überwiegend als akrobatische Jagd nach immer besseren Höhepunkten erlebt kaum ein Langzeitpaar, das wäre den meisten Menschen wohl tatsächlich viel zu anstrengend.

Sie schreiben, früher habe sich Ihr Partner mehr um sich gekümmert, habe überwiegend er die Initiative ergriffen und heute sei Sex für ihn „anstrengend“. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sein Interesse und seine Libido nachgelassen haben und tatsächlich der Konsum erotischer Filme für ihn so etwas ist wie die von ihm beschriebene „Sexualhygiene“. Ob dies möglicherweise eine Folge von Leistungsdruck oder vielen Zurückweisungen ist, könnten Sie in einer gemeinsamen Sexualtherapie herausfinden, die ich Ihnen anraten möchte. Möglicherweise stoßen Sie dabei aber auch auf einen ganz anderen, bisher nicht angesprochenen Grund, der für die Veränderung verantwortlich war.

unerhörtehrlich

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