Beziehungsunfähigkeit gibt es nicht. Passive Beziehungsverweigerung allerdings schon
Das kann ich gar nicht oft genug betonen: Beziehungsunfähigkeit gibt es nicht. Das ist ein Modebegriff, der populär wurde, um den vielen enttäuschenden Begegnungen mit Menschen einen Namen zu geben. Aber das ist seriös gesehen keine Diagnose, die ein Arzt geben würde – weil sie nicht existiert.
Bindung, also den Wunsch nach einer Beziehung, den bekommen wir bereits als Babys mitgegeben auf unseren Weg. Denn ohne Bindung können Babys nicht überleben, sie benötigen zum Aufwachsen Nahrung, Zuneigung, Berührung. Menschen benötigen für ein zufriedenes Leben Austausch, sie brauchen Entdeckungen, brauchen einen Hafen, von dem aus sie die Welt erkunden lässt und zu dem sie wieder zurückkehren können und sie benötigen dann einen Fels in der Brandung, wo sie sich sicher fühlen können. Für die meisten Menschen ist das höchste Ziel im Leben eine beständige Liebesbeziehung, also eine sichere Verbindung zu einer Person – am besten zu einer, die diese Gefühle erwidert.
Aber: sichere Bindung können Menschen auch in anderen Beziehungen erleben. Mit Freunden beispielsweise. Oder auch mit mehreren Partnern. Sichere Bindung zeichnet sich nicht durch Monogamie aus. In unserem Kulturkreis ist Monogamie für die meisten Paare Standard und eines der wichtigsten Kriterien für eine Liebesbeziehung. Während der Wunsch nach Bindung entwicklungsgeschichtlich in uns verankert ist, ist es jedoch der nach Monogamie nicht.
Was ist das Bindungsverhalten? Das entwickeln wir in unserer frühkindlichen Phase. Um das zu erklären, sieht man besten darauf, wie Menschen den Verlust von Bindung erleben. Da gibt es Menschen, die sich in solchen Situationen von möglichem Verlust sehr viel Mühe geben und sich richtiggehend Liebe verdienen. Sie leiden – sehr verkürzt formuliert – unter der Angst, sie seien nicht gut genug. Sie sind überzeugt: wenn sich jemand von ihnen entfernt, dann deshalb, weil sie nicht liebenswürdig genug sind. Und dann gibt es Menschen, die sich ganz und nur auf sich konzentrieren. Diese Menschen leben die Werte Autonomie und Selbstbestimmung. Sie sagen sich – ebenfalls sehr verkürzt formuliert –, dass Nähe sie am Ende immer verletzen wird. Sie sind insgeheim überzeugt, wenn sie niemanden wirklich richtig an sich heranlassen, dann kann der Schmerz des verlassen Werdens sobald die Bindung zerbricht, nicht so schlimm sein wird. Sie verlassen sich deshalb nur auf sich und nicht auf andere. Denn sie haben gelernt, wenn sie das doch machen, dann werden sie enttäuscht.
Sich einmal in einen vergebenen Partner zu verlieben, bedeutet nicht zwingend, dass man vom Typ her ein eher vermeidender Bindungstyp ist, also eher bindungsängstlich. Denn wohin die Liebe fällt, das lässt sich nicht steuern. Gerade im Arbeitsalltag kommt man sich durch den wiederholten Kontakt tatsächlich nahe und schafft Verbindungen. Deshalb beginnen so viele Affären im Büro. Statistisch wird daraus ja extrem selten eine dauerhafte Beziehung. Aber wenn, dann lernten sich die beiden meist bei der Arbeit kennen.