Frage: Eigentlich sind wir nur noch Freunde. Aber ich will mehr
Ich bin seit gut einem Jahr mit meinem neuen Freund zusammen. Er hat mir von Anfang gesagt, dass er nicht so gefühlsbetont ist. So weit, so gut. Am Anfang hat er sich ins Zeug gelegt: Wir haben stundenlang rumgemacht und dann, nach etwa einem Monat, sind wir im Bett gelandet. Das war wirklich gut und auch sehr schön. Danach war für mich klar, ich will nur noch diesen Mann an meiner Seite. Es lief wirklich gut.
Nur weiß ich nicht, was dann passiert ist. Erst wurde das Kuscheln immer weniger. Dann gab es nur noch zur Begrüßung und zum Abschied einen Kuss … Von Sex war gar keine Rede mehr. Ich vermisse das sehr. Er würde für mich die Sterne vom Himmel holen. Er hilft mir, wo er nur kann. Er sagt auch immer, dass er das mit mir will, aber er kann keine Gefühle äußern und ihm fällt auch gar nicht so auf, dass wir so “freundschaftlich” sind. Es würde doch alles gut laufen. Ich kann nachvollziehen, dass er viel um die Ohren hat und er auch oft einfach nur kaputt ist – aber was kann ich machen???
Antwort: Ihrer Partnerschaft fehlt ein wichtiges Element der Bindung
Tatsächlich gibt es Menschen, die wenig emotional sind, wenig Zuneigung benötigen und wenig Zuneigung geben. Das ist jedoch sehr selten, denn Nähe und Geborgenheit sind lebenswichtig. Möglich, dass Ihr Partner ein eher vermeidender Bindungstyp ist, der einerseits ein großes Bedürfnis nach Partnerschaft hat (seine anfänglichen Bemühungen sprechen dafür), andererseits ebenso große Furcht vor Nähe besitzt, weil er durch diese seine Autonomie und Individualität bedroht sieht (dafür spricht seine Warnung, dass er von Anfang an gesagt hat, dass er nicht gefühlsbetont sei). Möglich, dass er gerade durch viel Arbeit eine Phase durchlebt, in der Leidenschaft nicht seine Priorität ist. Nach einem Jahr Beziehung ist das jedoch ungewöhnlich.
Was können Sie nun tun? Sie alleine sehr wenig. Möglicherweise fühlt er sich durch Ihren Wunsch nach Nähe bedroht und zieht sich deshalb weiter zurück. Wie häufig und in welcher Form thematisieren Sie Ihren Wunsch nach mehr Zuneigung und Intimität? Kann es sein, dass er sich privat und beruflich unter Leistungsdruck gesetzt fühlt?
Sie schreiben, er würde die Sterne für Sie vom Himmel holen – das ist sehr liebevoll von ihm, doch sollte man meinen, dass es weniger mühevoll und ungleich befriedigender für Sie beide wäre, würde er Sie häufiger verführen. Ich würde Ihnen raten, mit ihm über Ihre sexuellen Wünsche zu sprechen und dazu gegebenenfalls einen Therapeuten hinzuziehen. Ihrer Beschreibung nach ist ihm nicht bewusst, dass Ihrer Partnerschaft ein wichtiges Element der Bindung fehlt. Das halte ich für ein Warnsignal, das Sie nicht überhören sollten. Finden Sie heraus, weshalb er so wenig leidenschaftliches Interesse zeigt und ob seine sonstigen Anstrengungen in der Beziehung womöglich eine Art Tauschangebot und Kompensation darstellen, damit Sie für sich entscheiden können, ob Sie ein solches Beziehungsmodell dauerhaft führen möchten.
unerhörtehrlich
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