Zu bedürftig nach Liebe

Es heißt zwar »wo die Liebe hinfällt«, aber wenn man ihnen vorher gesagt hätte, dass sie ihre Zeit mal mit jemandem vergeuden werden, der nicht weiß, was er will oder nur einmal im Monat Lust auf Sex hat, hätten sie wohl herzhaft gelacht und das für sich ausgeschlossen. Und das sind nur die kleineren Abgründe, die sich in manchen Beziehungen auftun.

Mir ist das schon irgendwie schleierhaft, welche Saite es zum Klingen bringt, wenn ein Partner zu übertriebener Egozentrik neigt oder seinen Narzissmus auf Kosten der besseren Hälfte auslebt. Bei aller Liebe. Woher nimmt man die Zuversicht, dass man der oder die Eine ist, für die sich das alles ändern wird? Das Herz will, was es will. Schon klar. Aber wie viele rote Ampeln braucht es, um zu realisieren, dass die Chancen sich im Promillebereich befinden?

So sehr ich mich bemühe, ich schaffe es einfach nicht, das zu begreifen. Wie ist es möglich sich einzureden, dass man der starke Part in der Beziehung ist, dass man einen Partner liebt, der in großen Schwierigkeiten steckt und die einzige Person ist, die ihm helfen kann, seine Dämonen in den Griff zu bekommen? Das mag vor 60 Jahren noch ein romantischer Gedanke gewesen sein. Heute wissen wir, dass diese Menschen ohne professionelle Hilfe niemals aus ihrem Teufelskreis ausbrechen können, wenn sie es nicht selber wollen.

Es ist ja so, dass da draußen auch Singles rumlaufen, die ganz normal ticken und nicht den Hang zu solchem Unfug haben. Potentielle Partner, auf die man sich verlassen kann, die respektvoll gegenüber Menschen sind und sich liebevoll zu ihren Lieblingsmenschen verhalten. Das sollten doch überzeugende Argumente sein, die ein Herzchen schneller klopfen lassen, auch wenn das sehr rational klingt.

Liebe und Leidenschaft sind nur bedingt berechenbar und der Forschung ist es bis jetzt nicht gelungen, zu erklären, warum wir uns überhaupt zu bestimmten Personen hingezogen fühlen. Es schadet aber nicht, wenn man jemanden kennenlernt, für einen kurzen Moment den Kopf einzuschalten und ein paar grundlegende Dinge und Werte auf Übereinstimmung zu klären, bevor man sich ins Abenteuer stürzt. Da bleibt vielleicht die ein oder andere Enttäuschung aus. Mehr Perspektive und Zukunft hat das allemal.


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