Speed-Dating-Typen: Wo Sehnsucht und Verzweiflung sich treffen

In der Höhle der unerfüllten Träume: Unsere Autorin Christiane berichtet für beziehungsweise über ihr erstes Mal – beim Speed Dating. Sie hatte nicht mit dem gerechnet, was sie erwartete

Große Amibitionen

Gong. Jetzt einer mit Anzug. Er ist Geschäftsführer, hat sich vor zwei Jahren selbstständig gemacht. Scheidung vor einem Jahr. Seitdem Single. Er braucht einfach wieder jemanden für die Zukunft. Aha. Er versteht nicht, was ich beruflich mache. Aber scheint ihn auch nicht so sehr zu interessieren. Den Ehering trägt er aber immer noch.

Nur für Zwischendurch

Gong. Ein Pole. Spricht nur sehr schlecht Deutsch. Er ist nur alle drei Wochenenden in Deutschland, würde aber gern jemanden haben, zu dem er nach Hause kommen könne. Dazwischen hätte die Frau aber alle Freiheiten, ganz ohne Verpflichtung. Ob ich zufällig Polnisch spreche? Leider nein, leider gar nicht.

Verletzte Gefühle

Gong. Ich schaue rüber zu meiner Freundin, die gefrustet an ihrem Cocktail nippt. Ich schneide eine Grimasse, um sie aufzuheitern. Wir müssen lachen. Der nächste fragt, ob ich über ihn lache. Nein, nein. Nur ein kleiner Scherz mit meiner Freundin. Wenn ich mich lieber mit meiner Freundin beschäftigen wolle, solle ich mich doch mit ihr treffen. Die restlichen sechs Minuten Funkstille.

Ich hätte nie gedacht, dass sieben Minuten so lang sein können. Eine halbe Ewigkeit. Ich schaue auf meinen Zettel, auf dem ich die Pseudonyme meiner „Dates“ geschrieben habe und stelle fest, dass nur noch zwei übrig sind. Ich schiele rüber zu meiner Vorgängerin, um mich schon einmal mental auf den nächsten einzustellen.

Der Hübsche

Gong. Er ist tatsächlich hübsch. Blaue Augen. Ein warmes Lächeln. „Hi, na, wie läuft’s soweit?” Er schreibt seinen Namen mit der linken Hand spiegelverkehrt und verkehrt herum auf meinen Zettel, so dass ich ihn lesen kann, ohne das Blatt umzudrehen. Eine kleine Geste, die mich immens beeindruckt.

„Du weißt schon, dass ich dein Pseudonym brauche, sonst finde ich dich im Speed-Dating Portal nicht wieder.“ Boah, was Besseres ist mir wohl nicht eingefallen?! Erdboden, bitte öffne dich! „Du findest mich schon, wenn du das willst.“ Wir sprechen über alles Mögliche, aber ich bekomme nur die Hälfte mit. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, alle Eindrücke von ihm aufzunehmen. Nichts zu vergessen. Er arbeitet mit Menschen, muss viel zwischen ihnen vermitteln. Er meint, mit der Zeit habe er gelernt, schnell zu erkennen, wie die Menschen ticken und was man aus ihrem Verhalten alles lesen kann. „Und was liest du aus mir?“ Ich spüre die Röte in meine Wangen steigen und flehe wieder den Erdboden an, mich endlich versinken zu lassen.


Comments are closed.

Weitere interessante Beiträge