Wenn Zwanziger auf Dreißiger treffen – Erfahrungen einer Single-Frau

Spreu und Weizen

Er ließ sich nicht beirren und schwang seinen Hintern weiterhin ausladend mit gebeugten Knien von links nach rechts. Mister UK hatte mich zum Schmunzeln gebracht, aber als meine Mundwinkel wieder sanken und es weniger lustig wurde, trafen sich meine Blicke mit denen des älteren Mannes von vorhin. Er lief wortlos an mir vorbei. Eben war er noch ein potentieller Kandidat, in dieser Situation nicht rettend einzugreifen, katapultierte ihn für mich jedoch sofort ins Aus. England klatschte sich mit seiner rechten Hand selbst auf den Hintern und warf seinen Kopf hin und her. Seine Brust noch immer an meine Hand gelehnt, versuchte er den Abstand zu verringern. Ich schubste ihn weg mit einem „Go away“. Er fasste es als „Sie sagt Nein und meint in Wirklichkeit Ja“ auf und hüpfte mit seinem Hintern auf mich zu. Tatjana stand hilflos und wie erstarrt neben mir. Der Komiker wirkte nicht mehr lustig. Er musste mein offensichtliches Desinteresse, gespickt mit einer Prise Arroganz, um mich abzugrenzen, doch bemerkt haben? Zu viel Alkohol trübt die Wahrnehmung und kann den liebsten Kerl zur Nervensäge werden lassen. Sein ungebremstes Selbstvertrauen hatte zwar beinahe wieder Respekt verdient, trotzdem musste er aus meinem Umfeld verschwinden. Mein Ton wurde schärfer, mein Blick strafender, ihn weg zu drücken energischer und Mister UK entschied sich zum Brexit.

Lässig an die Wand gelehnt erblickte ich im flimmernden Discolicht einen attraktiven und zurückhaltenden Mann. Vielleicht ein bisschen zu cool für meinen Geschmack. Der Club war brechend voll. Die Tanzfläche in Wallung und die jungen Leute waren mit uns älterem Kaliber in Feierlaune. „Hi“, sprach mich Jens von der Seite an. Kein lässiger oder ausgefallener Anmachspruch, was aber letztendlich auch nicht notwendig ist, wenn die Frau einen Mann nur im Entferntesten in Betracht zieht. Schnell stellte er mir die Altersfrage und erschrak bei einem Unterschied von mehr als zehn Jahren. Er schüttelte den Kopf, schaute mich an, schüttelte wieder den Kopf. „Ernsthaft?“, fragte er ungläubig. „Ja, ernsthaft.“ Irritiert versuchte er noch ein paar Sätze zur Konversation beizutragen. Nach kurzer Zeit floh er zu seinem Kumpel Michael, ich schickte ihm ein Goodbye-Lächeln hinterher. Doch es dauerte nicht lange und er kam mit einem Drink für mich zurück.

Pluspunkt bei der Qualitätsbeurteilung

Wir bewerten immer und erst recht bei der Partnersuche. Je älter wir werden, desto genauer schauen wir hin, um nicht die Katze im Sack zu kaufen und keine Zeit mit dem falschen Menschen an der Seite zu verschwenden. Bisher kam Jens zwar nicht in die engere Auswahl, aber über einen Nummerntausch dachte ich schon mal nach. Weshalb auch immer. „Du bist Autorin? Im Single-Genre? Ich würde sowas niemals lesen. Ich interessiere mich mehr für Wissenschaften.“ Ohne es zu erkennen befand er sich exakt in diesem Moment in meiner Wissenschaft. Kein Interesse an der Tätigkeit der Frau war für sein Punktekonto unglücklich, aber noch kein K.O.-Kriterium. Er war ja noch jung und meinte es vielleicht nicht so. Unsere Wege trennten sich erstmal und ich konzentrierte mich auf meine Freundinnen, bis er nach etwa einer Stunde wieder neben uns auftauchte.


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