Warum Stalking im Netz ein Urinstinkt ist

Ein bisschen Recherche auf Facebook & Co. ist doch noch lange kein Stalking. Oder etwa doch? Unsere Gastautorin Julia Malz kennt diesen inneren Drang nur zu gut…

Mein Exfreund ist mal wieder im Urlaub. Ohne mich. Denn wir sind ja schon eine Weile nicht mehr zusammen und er macht logischer- und bedauerlicherweise nun eben wieder alles ohne mich. Das hindert mich aber nicht daran, regelmäßig unter Tränen das Kopfkino anzuwerfen, wenn ich auf Facebook ein neues Bild von ihm, einen neuen Post von ihm oder schlimmstenfalls eine neue Auflistung entdecke, mit welchen hübschen Mädchen er jetzt ‚befreundet‘ ist. So auch am vergangenen Wochenende. Da bekam ich am Samstagmorgen auf nüchternen Magen den Fotobeweis von Facebook in der Newsleiste serviert, dass der Herr gerade mit vier (mir unbekannten) Skihasen im Skiurlaub in der Gondel sitzt. Selbst schuld, dachte ich mir. Warum habe ich auf seinem Profil auch das ‚See First‘-Häkchen angeklickt. Aber ich kann es nicht lassen.

Nach einem kurzen Heulkrampf machte ich mich an das, was ich als ‚soziale Recherche‘ bezeichne. Das klingt einfach hübscher als Stalking. Ausserdem erfülle ich nur den ersten Teil der juristischen Definition, die Stalking als willentliches und wiederholtes, beharrliches Verfolgen einer Person bezeichnet. Physisch oder psychisch wurde von mir bisher ja (noch) keiner verletzt. Ausserdem ist ‚obsessives Verfolgen‘, wie die alte Bezeichnung für Stalking lautete, ursprünglich ein Begriff aus der Jagdsprache. Und weil wir nun alle ebenfalls ursprünglich Jäger und Sammler sind, folge ich also nur einem tief verwurzelten Instinkt. So.

Die vier markierten Skihasen wurden aus Gründen der Revierpflege sofort der Reihe nach angeklickt. Denn es wäre ja denkbar, dass er mir eine von diesen demnächst als meine Nachfolgerin präsentierte, die er dann womöglich auch noch auf Händen zum Altar tragen würde. So konnte ich mir anhand der freigestellten Profilbilder schon einmal ein Bild davon machen, wie ihre späteren Kinder aussehen würden. Die erste hatte zum Glück eine sehr große Nase und zudem einen recht langweiligen Beruf, wie es aussah. Skihase Nummer 2 hingegen machte da schon eine deutlich bessere Figur. Mit Hippie-Kleidchen lachte sie neben einem Esel auf einer vermutlich griechischen Insel in die Kamera. Allerdings ließ das Durchforsten ihrer Freundesliste vermuten, dass sie bevorzugt glatzköpfige Ibiza-Proleten im Muskelshirt hortete. Wahrscheinlich selbst ein Proletenweib. Nummer 3 lachte glücklicherweise mit ihrem Ehemann im Hochzeitskleid in die Kamera. Nur Nummer 4 war nicht zu kriegen. Das Profilbild war ein Baum (warum auch immer), der Rest ließ sich nicht einsehen. Verflucht.

Nachdem ich mich wieder einigermaßen beruhigt und einen Screenshot des Gondelbildes an sämtliche Freundinnen verschickt hatte, um mir versichern zu lassen, was für ein taktloser Armleuchter mein Exfreund doch sei, machte ich mich an die Wiederherstellung meines verheulten Gesichts. Ich hatte schließlich später noch ein Date. Mit diesem hatte ich mich natürlich absichtlich noch nicht via Facebook verknüpft, damit keiner (und vor allem einer) nicht auf dumme Gedanken kam. Zu meinem Entzücken hatte ich aber festgestellt, dass eine Freundin von mir mit ihm ‚befreundet‘ war. Warum und wieso wusste sie allerdings selbst nicht mehr so ganz genau. Vielleicht mal irgendwo auf einer Party betrunken hinzugefügt. Ich schnappte mir also ihr Smartphone und durchforstete den Account meines potentiellen nächsten Ehemanns. Erst mal nichts Auffälliges zu sehen. Ein paar der üblichen, halbintellektuellen Visuals mit Text. Ein paar geteilte Nachrichteninhalte. Vertretbare Musik-Posts. Ab zu den Fotos. Profilbilder in Ordnung. Aber halt. Ein Album namens ‚Mallorca 2015‘. Mein Date und seine Ex. Schöne Frau. Wirklich schöne Frau. Vielleicht sollte ich mich doch via Facebook mit ihm befreunden. Warum? Um ein Zeichen zu setzen, natürlich! Ich bin hier schließlich neu im Revier.


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