Keine Fragen stellen aus Angst vor der Wahrheit?
Wenn sie seine Angebote ablehnt, ist das für Oskar völlig okay. „Ich bin einfach da“, sagt er. Er hat Paula nie gefragt, was sie für ihn empfindet. „Tacheles“ reden, das will er nicht. „Das macht alles kaputt“, sagt Oskar. „Das setzt Paula unter Druck. Wer bestimmt denn, wie lange es zu dauern hat, bis es zwischen einer Frau und einem Mann funkt?“
„Paula spielt mit ihm“ findet sein bester Freund John. „Sie macht ihn zum Affen. Ihr gefällt es, dass Oskar ihr hinterherrennt.“ Oskar hat auch in diesem Punkt eine andere Meinung. „Ich denke, dass Paula innerlich unsicher ist, was mich angeht. Sie ringt mit sich, sie braucht Zeit. Deshalb hat sie mir bis jetzt nicht gesagt, dass ich aufhören möge, um sie zu werben.“
Damit man nicht abstürzt: Bei der Gefahr von Liebeswahn ist es wichtig, dass die Freunde einen im Auge haben
Diese Differenz zwischen der Sicht, die Oskar auf Paula hat und wie sie sich verhält, ist kolossal. Trotzdem, Oskar wirkt nicht wie ein kranker Mann, wie ein armer Irrer.
John: „Ich habe Oskar immer wieder bedrängt, ich habe ihn gelöchert, wie lange er das noch durchhalten will. Er ist ein junger Mann, er kann doch nicht ewig auf eine Frau warten, das sind doch jetzt seine besten Jahre. Er rührt auch keine andere Frau an, er lebt wie ein Mönch. Ich liege Oskar in den Ohren, dass er sich in psychologische Behandlung begibt. Gerade diese Umdeutung von Signalen finde ich bedenklich. Wenn Paula ihn an einem Tag drei Mal angelächelt hat, ist er total aus dem Häuschen. Für ihn sind das Zeichen der Liebe. Das finde ich sehr bedenklich, das macht mir Angst. Ich kann das kaum mit ansehen, dass mein bester Freund sich zum Deppen macht. Oskar hat mir erzählt, dass er im Internet einen Selbsttest gemacht hat, um herauszufinden, ob er unter Liebeswahn leide. Er hat das nur getan, um mich zu beruhigen. Ein alarmierendes Zeichen für Liebeswahn wäre, sagt Oskar, dass er völlig sicher sei, dass Paula ihn liebt. Das sei er aber nicht, und das wäre doch ein Beweis dafür, dass er die Realität nicht verkennt.
Allerdings sei er sicher, dass das noch kommt, dass sie seine Gefühle erwidern wird in naher Zukunft. Er sei nicht wahnhaft verliebt, sondern eben wahnsinnig verliebt, das sagt Oskar immer wieder, wie ein Mantra. Der Glaube an die Liebe versetze Berge, und er habe ein sehr gutes Gespür dafür, wo es eine Chance in der Liebe gibt und wo nicht. Bei Paula gäbe es eine. Und es sei die Chance seines Lebens. Wir drehen uns im Kreis, Oskar und ich. Ich werde schon verrückt, wenn ich ihm zuhöre, Ich komme nicht gegen ihn an, ich kann ihn nicht überzeugen, sich therapeutische Hilfe zu holen. Ich kann nur eins tun, ihn begleiten, ihn aufmerksam begleiten, ihn beobachten. Das tun auch seine anderen Freunde, das tut seine Familie. Wenn Oskar anfängt, Paula richtig zu stalken zum Beispiel oder wenn es ihm seelisch schlecht geht, wenn er alles andere in seinem Leben vernachlässigt, spätestens dann schleppen wir ihn zum Psychiater. Vielleicht löst sich das Problem auch von allein, und Oskar lernt einfach eine andere Frau kennen und verliebt sich. Das wäre das Beste.“