Verkuppeln für Fortgeschrittene

Jule Blogt wäre gerne Amor. Aber sie schießt nur mit stumpfen Pfeilen. Und sie muss wohl noch etwas zielen üben

Ich liebe meine Freunde! Aufrichtig und wahrhaftig. Ich möchte, dass sie glücklich sind. Da für mich zum Glück definitiv die Liebe gehört, setze ich alles daran, mein Umfeld auch in Liebesdingen zufrieden zu stellen. Es ist mir eine Herzensangelegenheit Amor zu spielen, kleine Herzchen zu verstreuen und meinen Mitmenschen Liebespfeile in den Popo zu schießen. Leider empfinden die meisten von ihnen diese Pfeile nicht als Segen, sondern als kleinen stechenden Schmerz, den ich ihnen mutwillig und gelegentlich sogar bösartig zufügen will.

„Du kannst nicht verkuppeln!“, bekam ich von einem Freund gesagt. „Du suchst einfach die falschen Leute aus“, ergänzte er. Mein Dr. of Love-Selbstbewusstsein schrumpfte und wurde so mickrig, dass ich mich am liebsten in ein Mauseloch verkrochen hätte. Ich überdachte kurz, wo der Fehler bei meinen Kupplungsversuchen gelegen haben könnte. Wenn ich eine Verkupplung starte, suche ich natürlich nicht irgendwen aus. Kuppelopfer Nr.1 ist meine beste Freundin. Als geübter Single ist sie genau die Herausforderung, die ich brauche. Lerne ich einen neuen Mann kennen, durchläuft er automatisch einen „Passt er zu Lotti?“-Check. Wie eine kleine Checkliste hake ich Fakten wie Katzenliebhaber, Rockmusiker und Bartträger ab. Sind zumindest die meisten meiner Checkfelder abgehakt, kann es auch schon losgehen. Zur nächstmöglichen Gelegenheit versuche ich ganz unauffällig, mal den Namen des potenziellen Traummannes, oder andere Details über ihn fallen zu lassen. Positive Beeinflussung möchte ich diesen Vorgang mal nennen. Ich versuche das Interesse für die andere Person zu wecken. Bis dahin klappt das Kuppeln eigentlich im Normalfall ganz gut. Doch sobald sich der Kontakt zwischen den beiden zu kuppelnden intensiviert, stellt sich schnell heraus, dass ich anscheinend wieder den falschen Riecher hatte.

An wen ich beim Kuppeln denke? An mich!

Dabei sind die potenziellen Traummänner doch so toll! Wenn es nach mir ginge, wären sie alle mögliche Heiratskandidaten. Doch, für wen? An wen denke ich, wenn ich die Beziehungstauglichkeit der Männer evaluiere? An mich! Diese Männer würden, zumindest charakterlich, mir gefallen! Warum ich sie für so besonders geeignet halte? Na, weil ich mir sehr gut vorstellen kann, mit ihnen Doppel-Dates zu haben, gemeinsam Partys auszurichten oder auch mal in den Urlaub zu fahren. Ich denke dabei an mich. Ich bin egoistisch. Möchte ich jemanden verkuppeln, geht’s mir um meine Vorteile bei der Sache. Aber ist das nicht logisch? Wenn ich schon die zumindest scheinbare Wahl habe, welcher Partner einen meiner Lieblingsmenschen für lange Zeit begleitet, suche ich mir natürlich jemanden aus, mit dem ich gut zu Recht komme. Es reicht wohl nicht aus, dass wir bei der eigenen Partnerwahl egoistisch agieren, wir tun es sogar bei der Partnerwahl für unsere Freunde. Wenn ich die Sache so betrachte, ist verkuppeln ziemlich perfide. Wir greifen damit in das Leben anderer Menschen ein, um es nach unseren Vorstellungen und Wünschen zu verändern. Da erscheint der beste Freund des eigenen Partners plötzlich als Prinz auf dem weißen Pferd für die beste Freundin. Jedoch nicht, weil er so wunderbar mit ihr harmonieren würde, sondern weil die Vorstellung einer einträchtigen 4-er Paar-Clique einfach zu verlockend ist. Vielleicht hat man ja Glück, und die beiden merken erst später, dass sie einander eigentlich gar nicht leiden können.


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