Hingegen haben wir als Homo sapiens gerade mal 50.000 bis 90.000 Jahre auf dem Buckel. Im Hinblick auf die gesamte Evolutionsgeschichte ist dieser Zeitraum ein Wimpernschlag, der verdeutlicht, wie wenig entwickelt wir in Wahrheit sind, auch wenn wir uns für unglaublich kultiviert halten. Darum nochmal in aller Deutlichkeit: Es sind in Wahrheit wir Frauen, die den Paartanz eröffnen, indem wir unsere Bereitschaft dazu signalisieren. Das passiert ganz automatisch innerhalb von Sekundenbruchteilen, und wir können das willentlich überhaupt nicht beeinflussen. Wir scannen unsere Umgebung nach dem bestmöglichen zur Verfügung stehenden Erbgut für unsere Kinder und schicken dem Auserwählten unbewusst, aber mit eindeutigen Signalen die Einladung, sich uns zu nähern. Männer nehmen eine solche Einladung bereitwillig an, in der Hoffnung, ihre Gene weitergeben zu können. Wie entscheidend dabei die Einschränkung »zur Verfügung stehend« ist, beleuchte ich im nächsten Kapitel ausführlicher. So weit, so natürlich.
Der erste Schritt
Während Männer darauf programmiert sind, ihren Genpool möglichst weit zu verbreiten, haben Frauen Schwangerschaft, Geburt und Aufzucht der Kinder zu bewältigen. Da ist es völlig natürlich, dass Frauen diese Bürde nicht bei jedem x-beliebigen Kerl auf sich nehmen wollen. Um ein überlebensfähiges Kind auf die Welt zu bringen, wählen Frauen deshalb nur den stärksten und besten Mann als Vater aus. Auch wenn wir inzwischen so weit entwickelt sind, dass Männer eben nicht mit jeder Frau Kinder zeugen, mit der sie es könnten, und Frauen durchaus in der Lage sind, alleine das hohe Investment in ein Kind zu tragen, sorgt unser genetisches Programm noch immer dafür, dass Frauen das verfügbare Angebot prüfen.
Der in deinen Augen geeignetste Mann erhält dann die Einladung zum Flirt. Experten für Körpersprache können ganz genau benennen, mit welchen unbewussten Signalen Frauen auf interessante Männer reagieren. Möglicherweise sind dir ein paar deiner Verhaltensmuster bewusst, die du an den Tag legst, wenn ein Mann den Raum betritt, den du attraktiv findest. Vielleicht beginnst du, mit den Fingern deine Haarspitzen zu zwirbeln, vielleicht weiten sich deine Pupillen, möglicherweise signalisiert deine Körpersprache Offenheit. Auf diese Signale reagieren Männer. Sie interpretieren sie als Erlaubnis, sich nähern zu dürfen – und folgen dir dankbar. In diesem Moment findet ein Mann dich im wahrsten Sinn des Wortes anziehend. Er fühlt sich von dir angezogen, wird versuchen, mit dir ins Gespräch zu kommen und mehr über dich zu erfahren. Und vor allem wird er eine Strategie ersinnen, wie er ein weiteres Treffen mit dir sicherstellen kann. Ein Mann tritt zu diesem Zeitpunkt in die Werbephase ein. Er freut sich, dass du ihn ausgewählt hast, und er wittert eine Chance, seine Gene zu verbreiten. Darum möchte sich ein Mann nun deiner Gunst versichern und will dir beweisen, dass du dich richtig entschieden hast. Er braucht daher jetzt die Gelegenheit zu zeigen, dass er tatsächlich die beste Wahl ist, wie toll, kreativ und erfolgreich er ist. Ein Mann, der dein Signal aufgegriffen und sich dir genähert hat, benötigt genau diesen Raum. Es gibt für eine Frau also zu diesem Zeitpunkt überhaupt keinen Grund, ihrerseits auf den Mann zuzugehen. Der Mann hat bereits angebissen, jetzt braucht er Platz für seinen Balztanz.
Jessica Samuel
Sei dir selbst der Partner, den du dir wünscht
ISBN: 978-3-442-22256-8
Verlag: Goldmann