Ausgefeilte Flirt-Strategien, pseudo-witzige Aufreißersprüche – in den Augen unserer Gastautorin Nadine Kretz ist all das völlig unnötig. Beim nächtlichen Bar-Flirt ist weniger oft mehr, so flirten Sie erfolgreich …
Auf ins Nachtleben mit meiner Freundin Annie. Heute wählten wir nicht den süßen, aufgestylten Candy Shop, sondern eine Location mit gemischtem Publikum. Es war erst elf Uhr abends und der Laden schon überfüllt. Und nicht nur der Club war voll. Wir waren uns unsicher, ob wir am Eingang den Drogendealer verpasst hatten, weil alle um uns herum einen benebelten Eindruck machten. Die Musik war gewöhnungsbedürftig und der DJ beleidigte einen weiblichen Gast als „sexuell frustriert“, weil sie sich über seinen Mix beschwerte. Es folgte ein Lied aus den 80ern und eine Frau in den Vierzigern stieg enthusiastisch neben uns auf die Bank. Sie bewegte ihre Hüften sekundenschnell nach vorne und hinten und drückte dabei Annie regelmäßig ihren Po ins Gesicht. Man behauptet ja, dass sich das sexuelle Verhalten von Männern an ihrem Tanzstil erkennen lässt. Vermutlich schmilzen deshalb bei leidenschaftlichen Tänzern die Damen sofort reihenweise dahin, wenn sie sie nur ansatzweise attraktiv finden. Bei dieser Frau allerdings würde ich die Vorliebe in der rammelnden Tierwelt sehen…
Urzeitliches Dating-Verhalten
Bevor Annie von ihr weiterhin “befruchtet” werden konnte, stürzten wir uns auf die Tanzfläche. Um es martialisch auszudrücken: Hier gehen die männlichen Wildtiere auf die Pirsch, um sich ein Reh zu reißen. In diesem Areal nutzen Männer ihren Urinstinkt, um mit gängigen verbalen oder körperlich distanzbrechenden Mitteln zum Erfolg zu kommen – was meist so wirkt, als würde ein Neandertaler die Frau seiner Wahl mit der Keule erschlagen und in seine Höhle schleppen wollen. Während Annie von jemanden angesprochen wurde, dessen Sprachvermögen ebenfalls aus dieser steinzeitlichen Epoche zu stammen schien, spürte ich ein Gesicht in meinem Nacken und eine Hand in meinen Haaren. Als ich mich umdrehte, sah ich zu allem Überfluss auch noch eine Nase, die an mir roch. Ich verzichtete auf eine Diskussion, erhob meine flache linke Hand, legte sie auf seine Wange und schob seinen Kopf in die entgegengesetzte Richtung zum Ausgang.
Der einfachste Anmachspruch der Welt
Ein junger Mann blieb im Gedränge vor mir stehen. Mit seinem simplen „Hallo, ich bin Markus,“ ersparte er sich und mir einen ausgefallenen (eher ausgelutschten) Anmachspruch wie:
- „Glaubst du an die Liebe auf den ersten Blick oder soll ich noch mal vorbeikommen?“
- „Gibst du mir deine Nummer, hab’ meine verloren.“
- „Du kommst mir bekannt vor, haben wir uns nicht schon mal gesehen?“
- „Ich würde dir gerne die Sterne vom Himmel holen, aber der hellste ist ja schon da.“
- „Merk dir meinen Namen, neben “Gott” wirst du ihn die ganze Nacht schreien.“
Solche einstudierten Phrasen sind vollkommen überflüssig und abschreckend zugleich. „Du scheinst der einzige Mensch im Club zu sein, der außer mir und Annie noch nüchtern ist“, stellte ich fest. Ich war trotz allem skeptisch, da sich sein Freund kurz zuvor an meinen Körper geschlängelt hatte und ich ihn umgehend wegschieben musste. „Ich mag es nicht, mich zu betrinken und sorry für das Verhalten meines Freundes“, entschuldigte sich Markus und hielt mir seine Hand zum Friedensangebot entgegen. „Ich heiße Nadine,“ erwiderte ich und grinste ihn mit einem Händedruck an.
Zeig mir deine Freunde und ich sag dir wer du bist
Wir umgeben uns am liebsten mit Menschen, die uns ähnlich sind, um unsere Gemeinsamkeiten zu teilen und um verstanden zu werden. Ein Blick auf seinen Freundeskreis gibt uns einen guten Eindruck von seinem Wertesystem. Möchtest du wissen, welcher Mensch dir gegenübersteht, ihn aber nicht direkt ausfragen? Dann beobachte das Verhalten seiner Freunde. Sollten seine Ansichten in einigen Punkten, z.B. dem Verständnis von Treue oder dem Flirtverhalten gegenüber Frauen auseinander gehen, wird er es dir schnell mitteilen – einfach, um sich von seinem Freundeskreis abzugrenzen. Ist er sich der positiven Wirkung bewusst und möchte er mit seiner Art bloß Pluspunkte sammeln, wird er dies zu seiner Masche verstricken, wenn er es nicht ehrlich mit dir meint. Sein restliches Verhalten gibt uns trotzdem Aufschluss darüber, ob wir ihn besser wieder fallen lassen und auf Abstand gehen sollten.
Flirt-Erfolg? Kann so einfach sein!
Viele Männer sind vor allem mit sich beschäftigt. Sie konzentrieren sich auf ihr Ego und suchen aus innerer Unsicherheit nach äußerer Bestätigung. Sie jagen der Frau zwar hinterher, allerdings nicht, um ihr Herz zu erobern, sondern um sie als Trophäe ins Bett zu bekommen. Markus hingegen schenkte mir während unseres Gespräches seine volle Aufmerksamkeit. Er checkte meinen Beziehungsstatus und ob ich etwas Festes oder ein Abenteuer suchte, bereits verheiratet war, Kinder hatte und was ich beruflich machte. Er wollte meinen Charakter einschätzen, zeigte Interesse und war jederzeit achtsam. Er holte mir ein Getränk, hielt mir die Tür auf, als wir kurz nach draußen gingen und wehrte Betrunkene vor mir ab, die mir zu nahe kamen. Was ich damit sagen will: Es ist so einfach, Frauen zu beeindrucken, wenn Mann es nur richtig anstellen würde. Wir wollen in seinem Mittelpunkt stehen, ohne dass er eine Gegenleistung dafür erwartet. Erst dann, wenn er sie nicht erwartet, wird er sie bekommen, da ihn das zu unserem persönlichen Helden werden lässt.
Ich philosophierte mit Markus über diverse Themen des Lebens. Er gab mir das Gefühl, eine interessante Gesprächspartnerin zu sein und zögerte daher nicht stundenlang, um meine Kontaktdaten zu erfragen: „Wie kann ich dich wiedersehen? Bekomme ich deine Telefonnummer?“ Auf den ersten Blick war er für mich ein recht unscheinbarer Mann. Aber mit seinem anständigen Verhalten hat er mich trotzdem überzeugt. Er zückte sein Handy und ich tippte ihm meine Nummer ein.
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