Macht Online Dating einsam?

Nein, das Internet trägt nicht die Schuld daran, dass Dating so ätzend geworden ist. Wir müssen raus aus der Opferrolle und unser eigenes Verhalten ändern.

Nein, Dating vor dem Internet war nicht besser, nur anders

Ich bin Jahrgang 66. Als ich das Dating-fähige Alter erreichte, war der Mief der Nachkriegszeit bereits etwas verflogen, die Sexuelle Revolution hatte zaghaft neue Möglichkeiten eröffnet, Paare, die in „wilder Ehe“ lebten, bekamen zumindest schon einmal Mietverträge, was zuvor nicht denkbar gewesen war. Das ist so lange nicht her. Man sprach nicht von Dates, das Wort kannte niemand, potentielle Kandidaten hießen „Bekannte“ und ja, man „ging“ noch miteinander.

Einmal in der Woche, Samstagnachmittag, war in der Tanzschule die angesagte „Schüler-Disco“, für alle, die noch unter 18 waren. Ab frühen Abend ging es nahtlos über in den Nachtbetrieb, der wegen der Sperrstunde um 1 Uhr morgens schloss. Danach wurden nämlich die Gehwege hochgeklappt. So viel zu den Möglichkeiten des Kennenlernens im Nachtleben.

Tagsüber war es kaum minder trist aus heutiger Sicht: Straßencafés, in denen man auf mögliche Gesprächstpartner*innen hätte lauern können, waren Mangelware, es gab sie schlicht nicht, und wenn dann nur an Ausflugsorten und „draußen nur Kännchen“. Man traf sich und lernte sich kennen in der Schule, bei der Ausbildung, an der Uni, im Sportverein und in diversen Jugendtreffs. Das war’s. 

Warum das dennoch zu Kontakten und Beziehungen führte? Geht man nur lange genug einen Trampelpfad auf und ab, begegnet man einander zwangsläufig. Ein beliebter Ratschlag lautete: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach!“ Das sagte so viel wie: „Nimm, wen du kriegen kannst!“

Der Zufall ist keine gezielte Partnersuche

Wer sich nicht auf den Zufall einlassen wollte, der suchte gezielt. Das war nahezu ausschließlich in den Kontaktanzeigen der Stadtmagazine möglich. Da beschrieb man sich in wenigen Worten, weil jeder Anschlag teures Geld kostete, selbstverständlich ohne Foto, das wäre unbezahlbar und auch technisch nicht machbar gewesen, und dann erhielt man einmal im Monat in einem großen Briefumschlag die Postzuschriften. Übrigens waren auch damals die Anschreiben voller Fehler, oft Massenbriefe und die Bilder unscharfe Abzüge mit viel Landschaft und wenig Aussagekraft. 

Und die Dates, die so entstanden? Mühsam. Ohne Anrufbeantworter, Textnachrichten oder überhaupt einer Anzeige, wer angerufen hatte, blieb vor allem das Warten zuhause vor dem Telefon. Es gab nur selten ausreichend lange Telefonkabel (und für diese fielen zusätzliche Gebühren an), so dass manche Stunde um Stunde im Hausflur hockten.

Was derart begann, endete auch meist ähnlich. Um kurz mit einer Statistik zu kommen: die in jenen Jahren geschlossenen Ehen sind heute überwiegend – oder zumindest zu einem deutlich höheren Anteil – geschieden (als aktuell Paare heute geschieden werden). Ein Erfolgskonzept war – und ist – es ganz offensichtlich nicht, darauf zu hoffen, es würde irgendwann und irgendwo schon die oder der Richtige auftauchen.


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