Bei der Partnersuche wünschen wir uns die größtmögliche Sicherheit bei maximaler Freiheit. Dating-Apps machen es uns durch ihre Features leicht, doch gleichzeitig erhöht sich der Frust, weil die Angst vor Enttäuschung und Zurückweisung immer größer wird
„Lass mal telefonieren?“ – „Nö, lieber chatten. More fun.“ Einen solchen Dialog kennen vermutlich die meisten. Zuvor gab es ein Match in der Dating-App, irgendwer machte den ersten Schritt (meist der Typ, weil die Lady nicht zu einfach zu haben wirken will) und nun wird der zweite vorbereitet: das Date.
Eigentlich weiß man ja: Um nicht in einem endlosen, ermüdenden Chat-Kreislauf klebenzubleiben wie Fliegen in einem Spinnennetz, sollte man den neuen Schwarm fix auf einen Drink im wahren Leben treffen. Denn da zeigt sich doch erst wirklich, was aus dem Match werden könnte.
Aber die meisten Fliegen zappeln nur aufgeregt mit den Flügeln und lassen sich all ihren Mut und ihre Liebenswürdigkeit von den Spinnen Tinder und Co. aus ihren erschöpften und frustrierten Leibern saugen. Alles, aber bitte nicht telefonieren! Telefonieren ist Old School. Aufdringlich. Beinahe schon übergriffig.
Wann wurde eigentlich das Telefonieren so uncool? Seit der Jahrtausendwende tragen wir ein Telefon mit Mini-Computer mit uns herum, das wir für alles nutzen, nur nicht fürs Telefonieren. Also wir sprechen schon (laut und aufdringlich in der Bahn, im Bus oder im Fitnessstudio), aber wenn es um Privates geht, dann nehmen wir maximal Voice-Messages auf und versenden sie.
Kurz nachdem es – ganz lange her – die ersten Anrufbeantworter gab, war bald die Fernabfrage der neueste heiße Scheiß. Man musste nicht mehr nach Hause fahren, um abzuhören, wer angerufen hatte. Das war eine echte Innovation, denn mit dem Anrufbeantworter hatte sich ein Dating-Phänomen gezeigt, für das man allerdings keinen hippen englischen Namen wie Benching erfand, sondern das einfach hieß: Schluss machen auf AB.
Weil man ja wusste, dass der zukünftige Ex irgendwann arbeitete, rief man also genau dann an, wenn sicher war, nur der Anrufbeantworter würde sich melden – denn der würde keine Fragen stellen, sich nicht empören, sich nicht verteidigen, nicht heulen, nicht schimpfen … Die Folge: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine Beziehung möchte …“ war eine bekannte, zwar immer leicht variierte, aber dennoch gut wiedererkennbare Schreckensnachricht, mit der viele Hoffnungen auf Liebe vernichtet wurden.
Die Fernabfrage verkürzte nun massiv den Zeitraum zwischen dem Hinterlassen der Abschiedsnachricht und der möglicherweise sehr erbitterten oder verbitterten Reaktion darauf. Doch weil es keine Mobiltelephone gab, was sollte schon wirklich groß passieren? Man war ja selbst nur per AB zu erreichen und dann sprach der um seine Liebeshoffnung Betrogene eben dem auf Band, der Schluss gemacht hatte. Dieses Spiel führte dazu, dass sich manchmal auf Partys Paare begegneten, von denen zumindest einer nicht wusste, dass er gar nicht mehr Teil eines Paares war, weil er die Fernabfrage zuhause vergessen hatte.