10:45 Uhr – Abschied
Ich liege im Bett und kann nicht einschlafen.
Es war nicht diese eine Nacht, die ich hier rekonstruiert habe, die mich am Pick-up hat zweifeln lassen. Es war wohl eher ein schleichender Prozess, über viele Monate.
Warum diese wöchentlichen Exzesse, die manchmal gebrochenen Herzen? Ich glaube, am Anfang steht bei vielen Verführungskünstlern oder Aufreißern ein krasses, gut verdrängtes Selbstwertproblem. Ein Riss in der Seele und im Herzen, Wie eine angeknackste Kokosnuss. Eine Wunde, die auf diese Weise geschlossen werden soll. Tatsächlich stimmt es: Pick-up macht Spaß, trainiert den eigenen Mut, beschert geile, einzigartige Erfahrungen, die 95 Prozent aller Männer niemals machen werden, auch wenn sie davon träumen, während sie ihre „Filmchen“ schauen. Nichts ist so krass gut wie die Realität.
Aber dann kommt die Sucht, der Strudel. Man tut sich zusammen, driftet in die Community ab. Gegenseitiges Anstacheln, „Trophäenjagd“, Selbstgerechtigkeit, moralisch-menschliche Blindheit. Das Ganze ist dann eben nicht mehr wirklich ein „Spiel“, wie damals auch schon Neil Strauss festgestellt hat, der mit „The Game“ die Bibel der Szene geschrieben hat. Mitte der Nuller Jahre war das.
Ehrlich gesagt handelt es sich bei dem Ganzen dann doch auch um eine Droge. Um etwas, von dem man nur noch schwer wieder loskommt. Dabei gehen Jahre dafür drauf zu lernen, wie sich Frauen (nicht jede, aber unterm Strich ungelogen sehr viele) rumkriegen lassen. Jahre, in denen man keine feste Beziehung führt und folglich auch nicht lernt, wie man eine solche glücklich führt. Eines Tages kam mir der Gedanke: Ich bin gar nicht vorbereitet für etwas Festes. Ich laufe vielmehr davon. Da ist eine Angst tief in mir drinnen, die kaum zu beschreiben ist.
Bin ich glücklich gewesen in den Jahren als Verführungskünstler? Ja und nein. Möchte ich die Zeit nicht mehr missen? Ja und nein. Wie das mit Drogen wohl immer so ist. Man muss Grenzen kennen. Ich habe viele überschritten.
Seit ein paar Monaten bin ich nun raus. Es war wie ein Kaltentzug. Es war schwer. Daniel mischt immer noch mit, auch wenn ich ahne, dass er eigentlich nur „die Eine“ sucht, bei der er endlich ankommen kann.