Ich habe aufs Glück gewartet – und es dabei verpasst

Das Problem mit den Märchen vom ganz großen Glück und warum ich heute trotzdem schlauer bin

Als kleines Mädchen habe ich alles gelesen, was mir zwischen die Finger kam. Comics, Pferde- und Detektivgeschichten und immer wieder Märchen. Ihr „Und sie lebten glücklich“ hatte etwas Tröstliches, selbst, wenn es gar nichts zu trösten gab. Doch egal, wie oft Schneewittchen dem Gevatter Tod gerade so nochmal von der Schippe sprang, wie lange Dornröschen schlafen oder Rapunzel einsam im Turm vegetieren musste: Am Ende haben sich die Strapazen für sie alle gelohnt. Der Prinz kam und sah und liebte sie für immer und wenn sie nicht gestorben sind, dann liebt er sie noch heute. Äh?

Märchen sind auch nur Geschichten

Dass das mit moderner Liebe relativ wenig zu tun hat, muss mir heute natürlich niemand erzählen. Frauen sitzen nicht irgendwo rum und hoffen auf die große Erlösung durch einen Mann, schon gar nicht einen Prinzen mit zweifelhafter Frisur. Sie sind selbstbewusste, selbstbestimmte Wesen mit konkreten Bedürfnissen und individuellem Geschmack. Sie sind zu rationalem Denken fähig, wissen, dass die Liebe nicht einfach und manchmal eben auch zum Scheitern verurteilt ist, dass Märchen auch nur Geschichten sind und man im Leben nicht nur einen, sondern viele Frösche küssen muss. Theoretisch. Denn irgendwo tief innendrin glauben viele noch immer an den einen, der – nicht auf dem Pferd mit glänzender Mähne, dafür vielleicht in der U-Bahn zur Rush Hour – plötzlich ihren Weg kreuzt und die Gefühlswelt aus den Angeln hebt. Tiefe Blicke, ewige Liebe, Feuerwerk und Geigen!

Liebe: ein Meister der Tarnung

Genauso hab ich auch gedacht – leider viel zu lang. Hab Anziehung, Schmetterlinge im Bauch und große Worte verwechselt mit dem, das wirklich zählt: Echte Gefühle, Zusammenhalt, gegenseitige Stärkung und uneingeschränktes Vertrauen. Dieses Potpourri des wahren Glücks habe ich bisher leider verpasst. Dabei hätte ich nur zugreifen müssen, als es vor meiner Nase baumelte. Vor einigen Jahren lernte ich an der Uni jemanden kennen. Ein sympathischer, schlauer Typ mit schönem Lächeln und den besten Witzen auf dem Campus. Wir hatten einige gemeinsame Kurse, gelegentlich auch abseits des Hörsaals miteinander zu tun, einmal ganz kurz betrunken geknutscht, aber ansonsten wenig Berührungspunkte. Er war etwa zwei, mit meinen Lieblings-Boots ca. zehn Zentimeter kleiner als ich, spielte in seiner Freizeit Wasserball und fuhr an den Wochenenden oft nach Hause, weil dort sein Hund wartete und überhaupt.


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