Wer ist er eigentlich – der Eine? Gibt es ihn? Womöglich sogar mehrfach? Ein Leserbeitrag von Lioba über eine brennende Frage
Dieser besondere Mann im Leben einer Frau, den es irgendwie immer zu geben scheint. Wir alle haben ihn! Genauer gesagt ist es gar nicht nur einer. Nein, “der Eine” − das waren schon viele Männer für mich. Er ist keineswegs zwangsläufig gleichzusetzen mit der großen Liebe (obwohl er zumindest auch in manchen Fällen diese Bezeichnung tragen könnte). Der Eine ist der, der unsere Aufmerksamkeit bekommt, nach dem wir uns sehnen, der uns vielleicht zum Strahlen bringt oder uns vielleicht das Herz zu brechen vermag, den wir wahrscheinlich gerne analysieren, der, mit dem wir am liebsten Sex haben oder hätten, der uns vielleicht auf Händen trägt – zumindest eine Zeit lang – und der uns vielleicht auch irgendwann Tränen in die Augen treibt.
Eigentlich haben wir ihn immer, diesen Einen
Ich kann hier nur für die Frauenwelt sprechen. Eigentlich haben wir ihn immer, diesen Einen. Und wenn er aktuell weniger physische Präsenz in unserem Leben zeigt, dann suchen wir uns den Einen. Dann wird in vielen Fällen eine schöne, aufregende oder auch unverarbeitete Geschichte aus der Vergangenheit in unseren Gedanken reaktiviert, vielleicht sogar der Versuch gestartet, ihn wieder in unser reales Leben zu bringen. Oder wir wählen im Zweifelsfall auch einen unerreichbaren Mann, der hervorragend als Projektionsfläche für aktuelle Bedürfnisse und Sehnsüchte dient (ohne dabei der Realität zwischenmenschlicher Dynamiken ausgesetzt zu sein). Ganz gleich, ob diese Bedürfnisse Abenteuer betreffen oder es gleich die vermeintliche Liebe des Lebens sein soll.
Warum tun wir das? Der Mensch verspürt als emotionales und soziales Wesen generell das Verlangen, “Emotionen” (was nicht Liebe bedeuten muss, sondern genauso schlichte Zuneigung oder sexuelle Attraktion sein kann) in Bezug auf einen spezifischen Menschen zu hegen.
Was macht den Einen zu dem Einen?
Natürlich gibt es dann meist faktisch nicht nur den Einen, besonders nicht in einer Zeit, in der Polygamie mehr und mehr als menschlich anerkannt wird beziehungsweise man sich zumindest nicht mehr in jungen Jahren auf eine Person festlegen muss, um gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Meist gibt es sogar mehrere Kandidaten, die uns gefallen, um uns buhlen, vielleicht auch mit denen wir verkehren, mag es auf reiner Dating-Ebene oder auch körperlich sein oder sich um Nebenbuhler handeln, wenn wir vergeben sind. Dennoch: So viele Personen da auch sein mögen, es gibt fast immer den Einen, dem wir am meisten Aufmerksamkeit widmen, an den wir am häufigsten denken, dem wir das größte Stück unseres Herzens zuweisen und/ oder am liebsten unsere Fantasien widmen.
Was macht den Einen denn nun zu dem Einen? Für eine Frau ist es derjenige, mit dem sie am meisten Spaß hat, die erfüllendste Intimität und/ oder die besten Gespräche führen kann. Für eine andere ist es der, der in ihren Augen am meisten Partnerpotential aufweisen kann und wieder für eine andere ist es der, den sie ihren Partner nennt, ihre große Liebe. Und genau diese Unterscheidung führt zu der ernüchternden Erkenntnis, dass der Eine nicht nur zu dem Einen wird, weil er so toll ist, sondern weil wir ihn zu unserem Einen machen wollen. Und warum tun wir das? Zum einen, weil wir grundsätzlich das Bedürfnis danach haben, uns emotional auf einen Menschen zu fokussieren und zum anderen wählen wir diese spezielle Person aufgrund unserer individuellen aktuellen Bedürfnisse aus. Wenn wir unsere Freiheit lieben, dann wird am ehesten der unzuverlässige, charismatische Bad Boy zum Einen für uns, mit dem wir oft in Gedanken und ab und zu im wahren Leben “spielen” können, ohne uns zwangsläufig seinem “Rucksack”, der sich auch psychologische Prägung nennen lässt, widmen müssen. Wenn wir liebeshungrig sind, dann wird derjenige zu dem Einen, der am ehesten unserem Partnerideal zu entsprechen scheint. Und wenn Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen und wir Beziehungskisten nicht scheuen, dann können und wollen wir den Einen unseren Partner nennen.
Die Erkenntnis, dass viele Männer das Potential haben, der Eine zu werden und das oft vielmehr aufgrund unserer Bedürfnisse als aufgrund ihrer objektiv feststellbaren Eigenschaften, mag die rosarote Brille in Sachen Partnerwahl etwas trüben. Aber diese Erkenntnis macht auch frei, weil sie zeigt, wie groß der eigene Einfluss auf das Ausleben unserer Emotionen ist und auch zeigt: Egal wie das Leben uns zu spielen vermag, irgendwie gibt es fast immer den Einen im Leben.