Ich nenne diesen Effekt die „Disneyfizierung der Liebe“
Traumwelten geben Sicherheit, wenn die Wirklichkeit Angst macht. Heute sprechen wir beim Sport oder im Café nicht mehr die Person an, die uns interessiert, sondern wir suchen ihr Profil in den sozialen Medien und kontaktieren sie dort. Wir telefonieren nicht mehr, wir chatten lieber. Wir richten es uns ein in unseren Schutzstrategien, um nur keine Verletzung, Zurückweisung oder Ablehnung erleben zu müssen.
Lassen Sie mich zusammenfassen:
- Noch bis vor zwei Jahrhunderten galt Liebe als Sicherheitsrisiko Nummer 1 einer Ehe. Heute ist Ehe romantisiert, vielleicht sogar überromantisiert als größtmögliche Sicherheit im Leben.
Wir führen mehr Beziehungen als je zuvor und jede Trennung belastet unser Selbstwertgefühl. - Seit der Jahrtausendwende nehmen Schutzstrategien zu, um Verletzungen des Selbstwertes zu vermeiden.
- Der Selbstwert ist jedoch Dreh- und Angelpunkt unseres Bindungsverhaltens. Und Verletzungen des Selbstwertes führen zu Bindungsangst und Verlustangst.
- Verhaltensweisen wie Ghosting, Benching, Love Bombing sind Ausdruck dieser Veränderungen.
- Danke Mr. Jobs: Das alles fällt zeitlich ziemlich genau zusammen mit dem Smartphone, also der Möglichkeit, 24 Stunden am Tag online zu sein.
- Wir sind heute immerzu online und wir erleben dadurch die Folgen der Disneyfizierung der Liebe: Die Flucht in vermeintlich sichere Traumwelten.
Wie geht es weiter?
Wir können davon ausgehen: Online Dating geht nicht wieder weg. Das ist auch gut so. Denn weil wir ständig online sind, ist es ein Segen, dass wir dort auch Bindungen aufbauen können. Und außerdem ermöglicht Online Dating die Chance, abseits des eigenen Trampelpfades Menschen kennenzulernen, denen wir sonst nie begegnet wären.
Auch die Medien und ihre Lovestorys ebenso wie die Sozialen Medien werden nicht weggehen. Dort wird es weiterhin jede Menge Marketing und Selbstdarstellung geben, die uns und unsere Sicht auf Partnersuche und Beziehungen beeinflussen.
Ich habe keine einfache Lösung parat, ich fürchte auch, es gibt keine einfache Lösung. Ich weiß aber, dass Liebe zwei Dinge benötigt: Mut und Vertrauen. Dies sind auch die beiden Gegenmittel gegen Verlustangst und Bindungsangst.
Mut und Vertrauen erleben wir vor allem im direkten Kontakt, mit uns, mit anderen Menschen, durch authentische Erfahrungen und den Austausch darüber. Durch eine Kultur, die Scheitern nicht verurteilt, sondern als Chance für eine Verbesserung feiert. Für eine erfolgreiche Suche nach einer Liebe, die Verletzungen heilen kann.