Erst die Karriere, dann die Liebe?

Arbeitslose Männer kommen für die meisten Frauen als Partner nicht in Frage. Jule Blogt über die Auswirkungen von Beruf und Karriere auf die Partnerwahl

„Wenn du dich weiter so auf deine Karriere konzentrierst, findest du nie einen Mann!“, warf mir mein Vater während einer Familienfeier vor. Das hatte erstmal gesessen. Männer würden sich schließlich nicht gerne auf Frauen einlassen, die ‘über’ ihnen stehen, oder? „Schau mal, du bist in einem Alter, in dem man an Familie denken sollte“, fügte er hinzu. Hm, dachte ich. Im Grundsatz hatte er ja Recht! Ich gehe stark auf die 30 zu und kann nicht von mir behaupten, gerade besonders intensiv auf eine Beziehung zuzusteuern. Es bleibt mir also genug Zeit, mich auf mein berufliches Vorankommen zu konzentrieren. Das war auch das Erste, was ich nach meiner Beziehung in Angriff genommen habe. Ich wechselte den Arbeitgeber, um für bessere Aufstiegschancen zu sorgen. Schließlich musste ich mich nun selbst versorgen! So ein Singleleben ist teuer und eine Singlewohnung hier in der Großstadt erst recht. Ich wurde mit typisch ostdeutschen Werten großgezogen: „Haste was, biste was.“ Seitdem ich 16 war, kümmerte ich mich selbst um mein Taschengeld, auch wenn ich zwei Nebenjobs machen musste, um meine Shoppingvorliebe zu befriedigen. So wurden viele Frauen in meinem Umfeld erzogen. Selbstständig und bodenständig. Man brachte uns bei, dass wir alles erreichen könnten. Niemand dachte nur daran, dass wir einen Mann benötigten, der für uns aufkommt. Doch hat sich das auch in der Partnerwahl niedergeschlagen?

Es zählt die finanzielle Unabhängigkeit

Wählen die jungen Frauen von heute einen Mann der zu ihnen passt, ohne auf Job, Karriere und Geld zu schauen? Nein! Auch heute noch zählen finanzielle Unabhängigkeit und eine gewisse Karriereposition zu besonders attraktiven Merkmalen. Aber warum ist das so, wenn uns doch etwas anderes beigebracht wurde? Vielleicht ist gerade diese Erziehung der Grund dafür. Früh mussten wir Frauen für uns selbst einstehen, Verantwortung übernehmen und uns irgendwie mit Männern gleichstellen. Wir lebten also über Jahre mit ziemlich viel Druck auf unseren Schultern. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich diesen Druck gerne loswerden würde. Ich würde mich gerne mal auf einen Mann verlassen, der mir einen Teil der Verantwortung abnimmt. Nicht nur die finanzielle Verantwortung, sondern auch die für Haus und Hof. Ich bekomme ein komisches Gefühl, wenn ich mir vorstelle, dass ich mich nicht nur um mich, sondern auch um einen unselbstständigen und wenig erfolgsorientierten Mann kümmern müsste. Ich habe doch schon genug mit mir selbst zu tun!

Bei der Partnersuche kann man Merkmale wie „Selbstständigkeit“ allerdings nicht auf den ersten Blick feststellen. Darum suchen wir Frauen uns Eigenschaften aus, die wir schnell erkennen können und die uns zumindest im Ansatz zeigen, was der potenzielle Partner für Werte hat. Eine dieser Eigenschaften ist Intelligenz. Nennen Sie mich oberflächlich, aber unter Abitur geht bei mir nichts! Arbeitslose Männer kommen mir ebenfalls nicht ins Haus. Meiner Meinung nach findet heutzutage jeder einen Job! Auch wenn es Tellerwäscher ist, Hauptsache etwas tun! Klar, ich lasse mich durch einen steilen Karriereweg und eine gute Position beeindrucken. Die hat der Herr schließlich nicht geschenkt bekommen, sondern hart dafür gearbeitet. Ich kann also davon ausgehen, dass wir zumindest einige Werte teilen. Diese Ansicht finde ich sehr häufig in meinem Freundeskreis. Es ist nicht wichtig, was genau der Zukünftige arbeitet oder wie genau sein Karriereweg verlaufen ist, aber er muss eine gewisse Motivation mitbringen, etwas zu erreichen.

Wir haben genug mit uns selbst zu tun

Sehr interessant fand ich die Aussage eines Freundes, der im Moment arbeitslos ist. Ich fragte ihn, ob ihm die Joblosigkeit beim Dating im Weg stehen würde. „Eigentlich gar nicht, ich erzähle natürlich nicht, dass ich arbeitslos bin!“, antwortete er. Wie bitte? Was denn dann? Lügen? „Ich sage, dass ich gerade an einem Drehbuch schreibe. Irgendwas mit Film und Fernsehen geht immer.“ Ach du grüne Neune, dachte ich. Es war nicht einmal gelogen. Er schrieb ja tatsächlich irgendwas für Film und Fernsehen, allerdings semi erfolgreich. „Kann man mit der Karriere nicht beeindrucken, muss man seine Hobbys eben besonders hervorheben“, fügte er hinzu. Clever! Das scheint sogar zu funktionieren. Allerdings nur so lang sich die Damen davon blenden lassen. Er als kluger aber nicht nach Karriere strebender Mann, hat es schwer. Er fällt bei so vielen Frauen durchs Raster, sodass seine Damenwahl nach der Suche einer Nadel im Heuhaufen gleicht. Da sind wohl doch noch die alten Rollenbildern im Hinterkopf vorhanden. Möchte ich als Frau die finanzielle Verantwortung für einen Mann mittragen? Dazu dann irgendwann Kinder um die ich mich kaum kümmern kann, weil ich ja rund um die Uhr am Arbeiten bin? Keine Idealvorstellung! Genau diese Vorstellung hindert viele Frauen daran, sich auf Männer einzulassen, die nicht ihrem Karriereniveau entsprechen. Ich für meinen Teil möchte schon irgendwie zu einem Partner aufsehen können und das nicht nur in Bezug auf die Körpergröße. Das Gefühl von Sicherheit, Zukunftssicherheit spielt hier eine entscheidende Rolle.

Wie geht es einem Mann, wenn er eine Frau kennenlernt, die eine steilere Karriere als er hingelegt hat? Alle Herren mit denen ich sprach, betrachteten dies als unwichtig! Es stellte für sie absolut kein Problem dar. Sie fühlten sich nicht weniger Wert, nur weil eine Frau ihren Weg zielstrebiger ging. „Eigentlich finde ich das eher sexy!“, gestand mir ein Freund. Keine Bedrohung ihrer Männlichkeit, kein Gefühl der Abwertung. Das beeindruckte mich! Es sind in dieser Diskussion also die Frauen, die einen bestimmten Typ Mann bevorzugen und einen anderen ausschließen. Aus nachvollziehbaren Gründen zwar, aber doch sehr stringent. Ob diese Vorgehensweise der richtige Weg ist, wird sich in Zukunft zeigen. Ich erkenne zunehmend, dass auch immer mehr Frauen sich auf die „ist mir doch egal, ob du Karriere machst“-Schiene bewegen. Gerade in wenig leistungsgetriebenen Umfeldern der Gesellschaft. Und da zähle ich meinen Freundeskreis mit dazu.

Mir genügt der Wille, etwas erreichen zu wollen

„Dafür, dass du für deine Männer oft einen sehr strikten Karriereplan vor Augen hast, beschäftigst du dich doch ziemlich viel mit Studenten!“, ermahnte mich eine sehr gute Freundin als ich ihr erzählte, dass gerade ein Mann mein Herz erwärmte, der noch nicht einmal fertig studiert hatte. Ich dachte kurz nach und stellte fest, irgendwie scheint mir die Karriere eines Mannes doch nicht so arg wichtig zu sein. Mir genügt allein der Wille, etwas erreichen zu wollen. Ob das nun die Managementposition, oder der ‘9 to 5’-Bürojob war, ist eigentlich irrelevant. Anscheinend sind Beruf, Karriere und Erfolg nur Schall und Rauch, sobald wir einen Menschen ins Herz schließen.

Vielleicht ist es falsch, jemanden direkt zu Beginn auszusortieren, nur weil er nicht unserem gewünschten Karrierelevel entspricht? Vielleicht ist es falsch unsere lange geprägten Vorstellungen ungeprüft umsetzen zu wollen? Sollten wir nicht mal unseren Blick erweitern und sehen, was für Menschen uns begegnen? Denn Karriere macht uns nicht zu besseren Menschen, sie ist nur Mittel zum Zweck.


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