Einerseits ist jeder für sich selbst verantwortlich. Und andererseits ist es, wie es ist. Jeder Mensch ist gleich viel wert und gleich liebenswert. Da gibt es einfach keinen Unterschied. Jeder war mal ein Kind und entsprechend rein in seiner Liebe, wie man so schön sagt. Und was unsere Eltern uns vorlebten, das hielten wir für richtig. Wir übernahmen das Modell. Etwas anderes kannten wir nicht. Und unsere Defizite und unerfüllten Bedürfnisse verleugneten wir. Wir wollten ja nicht die Liebe unserer Eltern verlieren.
Und wie ist es heute?
Es ist genauso. Ich bin immer noch nett. Ich helfe ebenso immer noch gerne anderen. Ich versuche nach wie vor noch, es anderen recht zu machen, jedoch denke ich jetzt viel mehr an mich. Ich will auch nur geliebt werden. Oder sagen wir, in der Form wie ich es wollte, liebe ich mich nun selbst. Der Weg aus dem Programm, das meine Lebensrealität bislang bestimmt hat und folglich auch mein Beuteschema der Beziehungspartnerinnen geprägt hat, ist ein ständiger Prozess. Immer wenn ich das Gefühl habe „ich sei zu nett“, erkenne ich, dass sich mein altes Schema bei mir meldet und dann sage ich mir, dass nett sein gar nicht scheiße ist.
Man kann nicht zu nett sein. Man kann auch nicht zu scheiße, zu lieb oder zu sonstwas sein. Das sind alles Bewertungen, die aus meinen Glaubenssätzen folgten, die einen Großteil meiner Gedanken ausmachten. Je mehr ich mir das heute bewusst mache, desto mehr erkenne ich das dahinter liegende Bedürfnis. Und dadurch, dass ich dies nun erfühle, entdecke ich immer mehr, wer ich bin.
Ich bin ich. Ich bin okay. Du bist okay. Jeder ist okay. Und wenn Du und Ich ein Wir werden, dann heißt es auch: „Wir sind okay“. Ansonsten heißt es: „Ich bin okay. Du bist okay. Jeder ist okay.” Und nett ist nur ein Synonym für liebenswert. Nett ist wirklich nicht Scheiße und was der Volksmund sagt, muss ich nicht nachplappern. Es ist dessen Meinung, aber nicht (mehr) meine.
Nett sagt man, wenn man mit dem Lebensschema eines anderen überfordert ist. Diese Überforderung entsteht aufgrund von Projektion und Spiegelung gleichzeitig. Ich erkenne mich in jemand anderem (Spiegelung). Dadurch fühle mich Scheiße. Und der andere wird zur Projektionsfläche, dem ich für mein ungutes Gefühl unbewusst die Schuld gebe. Aus dem Gefühl heraus, entsteht dann die Angst. Dadurch ziehen wir uns automatisch zurück und lehnen den anderen unbewusst (und durch unser gezeigtes Verhalten) ab. Was dieser uns dann später vorwirft.