Stashing bedeutet, den neuen Kontakt vor Freunden und Familien zu verstecken. Aber Liebe benötigt Mut. Warum feige Dating-Phänomene Kennenlernen so schwierig und schmerzhaft machen
Es gibt viele Feuertaufen einer neuen Liebe: Der gemeinsame Besuch eines großen Möbelhauses am Samstag als Stresstest, der Städtetrip, um Chaos, Organisationstalent und ganz viel Nähe zu probieren und schließlich die Vorstellung des neuen Partners im Freundeskreis (und irgendwann den Eltern). Die meisten Singles betonen, es sei ihnen sehr wichtig, was Freunde und Familie zum neuen Schwarm sagen würden, aber beeinflussen würden sie sich eigentlich nicht lassen.
Den Partner vor den Freunden und der Familie zu verbergen, wird gerade in Berichten als „Stashing“ bezeichnet, ein englischer Begriff, der von „to stash“ stammt und “verstecken” bedeutet. Stashing ist kein neues Phänomen, schon immer wurden Partner vor der Familie und Freunden verheimlicht – oder umgekehrt. Die meisten Kontakte vor der Zeit der Dating Apps wurden über Freunde, den Arbeitsplatz, die Freizeit, also im weitesten Sinne innerhalb des sozialen Netzwerkes, geknüpft. Das bedeutet, damals stammte der neue Kontakt irgendwie – und sei es nur über gemeinsame Kontakte entfernt – fast immer aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis. Heute muss er in den meisten Fällen dort erst neu integriert werden, denn Dating Apps verbinden Menschen, die sich sonst niemals kennengelernt hätten. So erhält die Zusammenführung von Liebesleben und Freundeskreis neues Gewicht und Bedeutung.
Das Vorstellen eines Schwarms erfordert Mut, denn die zarte Pflanze Verliebtheit übersteht selten einen eisigen Kritikguss, wenn alle Freunde die Augen verdrehen oder per Textnachricht fragen, ob „das wirklich dein Ernst wäre?“ Die Angst vor Zurückweisung durch ausbleibende Anerkennung ist vielleicht deshalb so gewaltig geworden, weil Online Dating den “Korb” möglichst zu verhindern sucht durch schlaue Algorithmen, die zusammenbringen, was zusammenpasst und niedrigschwelligen Frustrationshürden. Singles sollen vor allem Erfolgsmeldungen angezeigt werden, deshalb liegt der Fokus auf den Matches: “Herzlichen Glückwunsch, Sie passen zusammen!” So muss niemand besonders viel Mut aufbringen, eine erste Nachricht zu schreiben. Die Anbieter von Dating Apps sorgen dafür, dass die Abfuhr nicht so schlimm werden kann, immerhin ist ja das grundsätzliche Interesse bereits bekundet worden. Singles werden so vor Verletzungen geschützt.
Aber gehören zur Liebe eben nicht auch genau solche schmerzhaften Erfahrungen dazu? Ist der Zauber nicht diese einzigartige Nähe zweier Menschen, auch – oder vor allem weil – sie besonders verletzlich macht? Niemand kann Fahrrad fahren lernen ohne hinzufallen. Nur wer erlebt hat, dass man nach einem Sturz wieder aufstehen kann, verliert die Angst vor dem Schmerz. Und wer kennt nicht die Erleichterung, wenn man der geliebten Person endlich die Gefühle gestanden hat und die Glücksgefühle, wenn diese sie erwidert. In der Liebe wird Mut belohnt.