Ich brauche keinen Brieffreund
Für den Brieffreund 2.0 sind unsere Gefühle der Spielball, unsere Zeit sein Gewinn. Dates, Drinks und durchgemachte Nächte? Nicht in seinem Repertoire. Stattdessen bleibt er in seiner Deckung und hält einen mit kleinen und großen Texthäppchen bei der Stange (auch bekannt als Breadcrumbing) – ganz so, als würde man permanent nägelkauend auf die nächste Nachricht warten.
Das Problem mit den ewig Schreibenden liegt also relativ deutlich auf der Hand: Offensichtlich sind sie nicht bereit, aus ihrem digitalen Schattenreich ins Licht zu treten und der Sache im Real Life eine Chance zu geben. Sie wollen keinen Kaffee trinken, nicht bouldern oder tanzen gehen und auch kein Prosecco-Picknick im Park, um sich gegenseitig mit allen Sinnen abzuchecken. Und steht dann tatsächlich mal ein Date an, wird es entweder kurz vorher wieder abgesagt – oder es geht nach der ersten Verabredung einfach genauso weiter wie zuvor.
Abschießen oder weiter tippen?
Selbst wenn es im ersten Moment vielleicht unschuldig wirkt, steht „Brieffreunding“ damit seinen unnötigen Artverwandten wie Ghosting, Benching und Co. in nichts nach. Denn auch wenn der Chat-Partner ansonsten wirkt wie das ganz große Los – er hat mit großer Wahrscheinlichkeit kein echtes Interesse.
Zweifellos: Romantisch und irgendwie aufregend ist das anfängliche Schreibspiel auf jeden Fall. Schlau ist aber, wer die Warnzeichen für den verbreiteten Dating-Trend erkennt und ernstnimmt, bevor sich Hoffnung auf mehr breitmacht. Und man beim endlosen Formulieren zu viel Energie, Herz und Hirnschmalz investiert. Für mich und mein Leben jedenfalls darf es dann doch eher ein Mensch zum Anfassen sein. Und kein wortgewandter Geist im Telefon mit zu viel Langeweile.
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