Im Dating-Dschungel treibt er immer öfter sein Unwesen. beziehungsweise.de-Autorin Friederike Schön über falsche Prinzen und viel zu kleine Schuhe
Endlich gibt es auch einen Namen für dieses Liebesproblem, ja endlich, denn was ich benennen kann, habe ich doch schon halb bewältigt, oder? So zumindest heißt es in therapeutischen Ratgebern. Kenne den Feind! Vor kurzem ging noch eine Warnung vor dem Typus des Man Child durch das Netz – kleiner Junge getarnt im männlichen Körper, dem es nicht nur die Socken und vollgekrümelten Teller, sondern auch das komplette Leben hinterherzutragen gelte. Nichts, aber auch gar nichts bringe er selbstständig auf die Kette, weshalb die moderne Frau gut daran täte, ihn so schnell es geht vor die Tür zu setzen, am besten gar nicht erst reinzulassen. Es sei denn, sie entscheide gerne alles allein, eine durchaus legitime Form der Partnerschaft, nur ohne das Präfix -Partner eben.
Eine neue Spezies: der Cinderfella
Nun wurde da draußen, auf dem großen weiten Feld, wo fleißig gejagt, geflirtet und gedatet wird (Verbitterte sprechen gern vom Single-Haifischbecken), eine neue Spezies ausgemacht: der Cinderfella. Ja, richtig gelesen, kein Tippfehler. Man muss nun wirklich kein Etymologe sein, um sich schnell zusammenzureimen, dass es sich hierbei um die Verknüpfung des amerikanischen Aschenputtel mit ihrem männlichen Pendant handelt. An sich schon eine absurde Idee, denn, sorry Männer, aber dieses Terrain ist leider schon besetzt, es gehört den Frauen. Oder möchtet ihr Julia Roberts in einem Schlitten vorfahren sehen, wie sie den vor Rührung schluchzenden Richard Gere aus seinem Leben als Callboy rettet?
Vielleicht haben einige die (sagenhaft schlechte) gleichnamige Komödie gesehen: Cinderfella, der Trottel, der einen Schuh verliert und dem das Mitleid der Prinzessin zuteil wird, das alles verheißt schon nichts Gutes. Zumindest ist der Leinwand-Cinderfella trotz allem ein netter Kerl, der einer Prinzessin nicht das Herz brechen wird. Die Realität ist da gnadenloser. Immer öfter, beobachtete eine Bloggerin vor kurzem in der britischen Huffington Post, fielen Frauen auf den wenig märchenhaften falschen Prinzen herein, der mit einem Überschwang romantischer Gefühle aufwarte, um wenig später in ebenso überschwänglichem Tempo wieder abzurauschen. Zurück bleiben Ratlosigkeit und die berechtigte Frage, wie sich ein Sechser im Lotto nur so schnell als Irrtum (beiderseits) entpuppen konnte. Aber wie erkenne ich ihn nun rechtzeitig, den Cinderfella?
Wie entlarvt man einen Cinderfella
Wie es Steckbriefe so an sich haben, erhebt auch dieser hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Mit der Häufung der Merkmale allerdings steigt die Chance, dass wir es mit einem solchen zu tun haben: Bevor er den symbolischen Schuh verliert, den Sie aufsammeln sollen (und ihn retten), hat dieser schlechthin attraktive Mann mittleren Alters schon viel durchmachen müssen: eine miese Ehe, in der er noch oder seit kurzem nicht mehr steckt, eine harte Trennung, womöglich hat er das ganz große Gefühl, von dem ja auch Männer träumen, noch nie erlebt. Mit diesem emotional sperrigen Gepäck poltert er nun durch Partnerbörsen und Ausgehnächte, immer auf der Suche nach dem großen Glück.
Läuft ihm ein glücksverheißendes (das er in Wahrheit wohl nie finden wird) Exemplar, das seine chronische innere Leere und Einsamkeit ausfüllen könnte, seine Terrabyte große Sehnsucht nach Leidenschaft und Liebe, vor die Flinte, gibt er Vollgas: mit vorschnellen Liebesbekundungen, Versprechen, er will alles, und zwar jetzt! Sofort! Drama, Baby! Seine Ungeduld verleitet ihn zu Szenen glühender Eifersucht oder Ungeduld. Ob Sie es denn nicht erkennen, dass er der Mann ist, auf den Sie gewartet haben? Für den Sie alles (hallo!) stehen und liegen lassen müssen. Dieser Mann leidet am Aufschub-Zero-Tolerance-Syndrome. Man ahnt es, das Strohfeuer brennt heftig und dafür nur kurz. Enttäuscht, dass seine Erwartungen (wie auch!) nicht erfüllt wurden, zieht er weiter. Und weiter, und weiter.
Die gute Nachricht kommt zum Schluss: Sein Abgang ist das beste an der Geschichte. Was der Cinderfella braucht, ist keine Prinzessin, sondern die Couch eines Therapeuten. Und auch, wenn’s kurz schmerzt, den Schuh des nächsten Cinderfella suchen wir gar nicht erst, versuchen auch nicht vergeblich, hineinzupassen, der ist einfach ein paar Nummern zu klein. Und anders als bei Aschenputtel können wir in diesem Fall froh sein, dass der Kelch an uns vorbeigegangen ist. Stattdessen kaufen wir uns lieber selbst ein Paar neue Schuhe. Und das hilft ja bekanntlich über so manchen Schmerz hinweg…