Unser Gastautor Max beschreibt seine Zweifel in den Stunden vor dem ersten Date mit einer fremden Frau, die er über eine Dating-App kennengelernt hat
Noch drei Stunden bis zum ersten Date. Ich bin nervös, aufgeregt. Aber es ist nicht diese Aufregung, von der alle immer sprechen. Prickeln. Frohe Erwartung. Spannung. All das meine ich nicht. Es ist eher eine diffuse Angst. Wovor? Das weiß ich leider selbst nicht genau … Vielleicht davor, einen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Rot zu werden. Mich zu verhaspeln. Davor, dass es ein schrecklicher Abend wird. Aber als ich mich mit leichtem Herzrasen an den Küchentisch setze, mein Kinn auf beide Arme gestützt, und in mich hineinhorche, begreife ich, dass es eine andere Angst ist. Nicht die, von der man in Ratgebern oder Internetforen so häufig liest. Ich kann sie nicht genau benennen.
Fanny heißt sie; sagt sie jedenfalls. Wir haben uns über diese App kennengelernt, bei der man sein Interesse durch einen Wisch nach rechts signalisiert. Irgendwann hatten alle meine Kumpels an der Uni die App und ich wollte ihnen als Single darin nicht nachstehen. Anfangs war das Wischen ja ganz lustig. Dann kam aber die Frustration, weil es ein Wisch-Limit gab und die Frauen, die ich angeschrieben hatte, nicht zurückschrieben. Aber ich machte weiter, war schon mitten drin in der Sucht, die längst auch meine Kumpels mehrere Stunden täglich kostete. Irgendwann kamen dann sogar ein paar echte Gespräche zustande. Oder sagen wir mal: ein belangloses Hin-und-Her.
Ich traf mich bisher mit zwei Wisch-Frauen. Knapp drei Wochen ist das her. Eine „legte“ ich auf den Mittwoch, die andere auf den Donnerstag. Zweimal dieselbe Bar. Beim zweiten Mal streifte mich der vorwurfsvolle Blick der Barkeeperin, die mich schon am Vorabend bedient hatte.
Beide Wisch-Frauen (ich nenne sie mal Julia und Marie) haben danach nicht mehr auf meine Nachrichten geantwortet. Wenn ich ehrlich bin: Mich hat diese Ignoranz extrem gekränkt. Ich kannte das aus meinem früheren Dating-Leben gar nicht, also das Phänomen, dass man urplötzlich den Kontakt abbricht. Meine Kumpels von der Uni meinten ein paar Tage später, das sei heute halt normal, ich solle mir nichts dabei denken. Next, please …
Und jetzt, drei Wochen später, steht also mein drittes Wisch(iwaschi)-Date an. Ich mache mir noch schnell einen Kaffee und schütte ihn dann doch weg, weil mir wieder mein hämmerndes Herz in den Sinn kommt. Herz: Spielt das bei dem, was ich hier gerade tue, eigentlich eine Rolle? Ich treffe eine wildfremde Frau, von der ich gerade mal weiß, dass sie Krankenschwester ist und sich Fanny nennt. Sie ist 24 Jahre alt, stammt ursprünglich aus Köln und lebt jetzt wie ich in Berlin. Ansonsten haben wir bisher noch ein bisschen über Paris geschrieben, weil Fanny auf einem ihrer Profilbilder vor dem Eifelturm steht, wie übrigens ungefähr 832 andere Frauen in der App auch.
Warum will ich sie überhaupt treffen, zumal nach all den schlechten Erfahrungen?
Ich habe mir diese Frage in den letzten Tagen mehrmals gestellt. Die einzige Antwort, die ehrlich wäre, ist wohl: Ich will mit dieser Frau, die einen so prallen Busen und sanft geschwungene Lippen hat, ins Bett. Das ist nicht subtil, aber ich sehe nach längerem Grübeln wenig andere Gründe, die ehrlich wären. Neugier klingt nach platter Ausrede. Wunsch nach einer Beziehung ist an sich nicht falsch. Aber wenn ich mit Fanny schreibe, denke ich nun halt mal nicht an so etwas. Da denke ich nur an das Eine. Auch wenn ich mich riesig freuen würde, wenn es dabei nicht bliebe. Trotzdem: Mit ihr kann ich mir das irgendwie jetzt schon nicht wirklich vorstellen.
Bei meinen Freunden klingt das dann etwas anders. Da ist Fanny eine „interessante, nette, heiße Schnitte, die ich mir nicht entgehen lassen will.“ Das ist natürlich dummes Geschwätz. Fanny ist für mich noch gar NICHTS. Sie ist einfach nur ein junger Mensch, den ich nicht kenne, und der einen nach meinen Maßstäben attraktiven Körper besitzt. Wenn die Bilder nicht lügen. Sie ist abstrakt, auch wenn ich davon ausgehe, dass sich hinter ihrem Namen ein echter (und verletzlicher) Mensch verbirgt.
Was sie wohl gerade über mich denkt?