Aufgerüscht, abgerüscht – weniger ist mehr!

Klar machen Styling und ein schickes Outfit Spaß. Natalie Prinz hat aber ihre größten Erfolge mit Stilbruch gefeiert. Ein Plädoyer für mehr Selbstbewusstsein

Letztens las ich in einem Blog die Geschichte von Izabella, die sich von einer Kollegin dazu hatte überreden lassen, nach der Arbeit noch auf ein Kostümfest zu gehen. Das Fest fand in einer angesagten Bar statt und Izabella und ihre Kollegin beschlossen, sich in überdimensionierte Plüsch-Marienkäfer-Einteiler zu stecken. Nur leider hatte ausser ihnen niemand das Wort KOSTÜMFEST ernst genommen. Man beschloss, das Beste aus der Situation zu machen. Also zogen sie – als sei es das Normalste der Welt, an einem Freitagabend als Marienkäfer durch die Gegend zu laufen – völlig schmerzfrei von einer Bar in die nächste. Woraus sich eine der wunderbarsten Nächte seit langem ergab.

Als ich das las, dachte ich: Oh ja, wie schön. In Würde daneben aussehen!

Rückblickend betrachtet hatten gerade Abende solcher Art in meinem Leben eine erstaunlich hohe Erfolgsquote. Und das ganz ohne Kostüm.

Eigentlich will man nur übersehen werden

Es gibt Tage, da läuft nichts rund und trotzdem, oder gerade deswegen, möchte man noch unter die Menschheit. Bad Hair Day? Egal, Mütze auf. Schminken? Wird überbewertet. High Heels? Bis zum nächsten Barhocker tun es auch Turnschuhe. Und so sitzt man dann da und will eigentlich nur übersehen werden. Erwartungen gleich Null.

Aber als wäre auf dem Weg zwischen Haustür und Tresen ein ganzer Sack Magic Dust über einem ausgeschüttet worden, lernt man an solchen Abenden die entspanntesten Menschen kennen. Je weniger Punkte man sich selbst für seinen Auftritt geben würde, desto lauter der Applaus. Im übertragenen Sinn.

Der Zusammenhang ist meiner festen Überzeugung nach dabei so einfach wie ermutigend: Frauen, die sich ohne aufgehübschte Fassade unter die Meute wagen, strahlen Gelassenheit aus. Die sich aus Selbstbewusstsein speist. Und selbstbewusste Frauen sind interessant.

Luft nach oben lassen für schlechte Zeiten

Wenn die innere Haltung nicht stimmt, dann nützt weder das perfekteste Make up noch das schärfste Outfit. Auf die Realität lässt sich dauerhaft kein Filter legen. Warum also von vornherein viel zu hohe Standards setzen? Eine Freundin von mir geht zu zweiten Dates prinzipiell immer in schlunzigen Klamotten. Ihr Credo: „Es kann nicht jeder Tag ein Highlight sein. Das muss er aushalten können.“ Und zwar je eher desto besser, füge ich noch dazu, denn der Lack ist sowieso ziemlich schnell ab. Da reicht meist schon der Morgen danach. Es ist klug, immer noch ein bisschen Luft nach oben zu lassen. Für schlechte Zeiten.

Es geht hier nicht um dieses „Mut zur Hässlichkeit“-Ding. Das ist eine total fehlgeleitete Pseudofeminismus-Kampagne. Einfach mal keinen Gedanken daran zu verschwenden was andere wohl von einem denken könnten, ist nicht mutig, sondern gesund. Und was den Begriff „hässlich“ angeht, da halte ich es mit dem philosophischen ‘Paradox der Hässlichkeit’. Demnach sind Dinge, die als hässlich empfunden werden, einfach zu schön, um schön zu sein. Weil sie nicht ins eigene Schema passen.

Womit wir beim Stichpunkt “Geschmacksache” angekommen wären. Ich habe überhaupt kein Problem damit, den Wanderpokal für die Gesichtsälteste des Abends zu gewinnen. Oder mich dann und wann zum Gespött zu machen. Wirklich schwierig finde ich dafür T-Shirts mit aufgedrucktem Motto. Da ist selbst meine Schmerzgrenze erreicht.

Nur bei diesem bin ich kürzlich in Versuchung geraten:

„Ist mir egal. Ich lass das jetzt so.“

Gab es aber nicht in XL.


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