Ich will der Zeit gar nicht ihre guten Seiten absprechen. Die Entschleunigung des Alltags und vor allem des urbanen Lebens hat sicherlich einen Großteil der Gesellschaft zur Ruhe kommen lassen. Aber ich finde es auch ein wenig makaber mit diesem „Privileg“ zu werben. Denn der Auslöser hierfür liegt in den steigenden Infektions- und Todeszahlen von Opfern der Pandemie.
Das Jahr hat mich definitiv eins gelehrt: es kommt immer anders als man denkt. In Beziehungen, aber auch im Alltag. Es ist daher wesentlich einfacher, sich mehr auf den Moment einzulassen und diesen so gut es geht zu leben, anstatt sich in Zukunftsprognosen oder verzerrten Erinnerungen zu verlieren.
Das ganze Denken und Planen lässt uns langfristig verkrampfen, auch wenn wir uns dadurch erhoffen, die Kontrolle zu behalten. Glaubt mir. Wer seine Gedanken nicht abschalten kann, wird von ihnen kontrolliert. Nicht andersherum.
Wer viel analysiert, findet am Ende auch mehr Konfliktpotenzial.
Das ganze Nachdenken führt nicht unbedingt weiter. Zumindest nicht signifikant schneller, als wenn man sich einfach auf den Moment einlassen würde. Dafür bekommt man jede Menge Karusselfahrten und Tunnelbesuche inklusive – lohnt sich nicht wirklich. „Your worst battle is between what you know and what you feel“, heißt es bekanntermaßen. Stimmt. Gefühle zu rationalisieren bringt wenig, denn auch wenn im Kopf alles logisch und richtig klingt, so kann es einem dennoch den Magen umdrehen und sich unwohl fühlen lassen.
Vermeintliches Wissen und Überreflektion stellen Probleme in den Fokus
Ist es nicht einfach nur ein Mechanismus zur Kontrollausübung? Situationen besser einschätzen können und hoffen, mit logischem Verstand zu reagieren, weil dann bestimmt keine negativen Konsequenzen in Form von negativen Gefühlen oder schlechtem Gewissen folgen? Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Beziehungen, seitdem ich mich so intensiv mit verschiedenen Konzepten, Dynamiken und psychoanalytischen Verhaltensweisen auseinandersetze, eher komplizierter als einfacher geworden sind.