Warum es einfacher ist, freundlich zu Fremden zu sein als zum eigenen Partner

Eben noch ein nettes Gespräch mit der Kollegin geführt und dann – kaum zuhause angekommen – regen uns unsere Liebsten so furchtbar auf, dass wir unfreundlich und genervt sind. Dabei wollen wir doch nur in den Arm genommen werden. Wir klären, warum wir zu Fremden oft freundlicher sind als zum eigenen Partner.

Ein Fremder kann uns nicht das Gleiche geben 

Ein Fremder kann diese Funktion nicht übernehmen. Wir empfinden ihn von uns getrennt und nicht in dem Maße in Mitgefühl verbunden, als dass ich dieses auch von ihm im Gegenzug erwarten kann. Und genau das klärt unser Rätsel. Denn so einfach es in unbelasteten Situationen sein kann, sich gegenseitig dieses Bedürfnis zu erfüllen, eben wie dem hingefallenen Kind das aufgeschürfte Knie zu pusten, ein Pflaster zu geben und uns als Dank ein Lächeln und eine Umarmung entgegenbringt, die uns wiederum Bestätigung gibt, so schwer oder unmöglich kann es bei Stress sein, sich gegenseitig Selbstobjekt zu sein.  

Gerade wenn wir es am meisten bräuchten, können wir es am wenigsten geben 

In belasteten Situationen, wenn wir sehr mit uns selbst, unserem Ärger und unseren Ängsten beschäftigt sind, fällt es uns ungleich schwerer, uns in den anderen hineinzuversetzen. Unser Mitgefühl füreinander sinkt. Wir können nicht wortlos spüren, was der andere braucht. So sind beide Partner keine guten Selbstobjekte füreinander, um einander Bestätigung zu geben. Unser Selbstwertgefühl leidet. Das Verzwickte: Gerade in den stressigen Situationen erwarten wir umso mehr, dass der andere uns blind versteht und uns das gibt, was uns guttut. Ohne dass wir ihm etwas entgegenbringen müssen.

Wenn das fehlschlägt, was es fast zwangsläufig muss, da der andere ja ebenfalls diese Bedürfnisse hat, die unbefriedigt bleiben, reagieren wir ungehalten und frustriert, unhöflich und unfreundlich. Die Höflichkeit, die wir bei Fremden noch aufrecht erhalten können, weil wir gar nicht erwarten, dass sie verstehen, wie es uns geht und was wir brauchen, bricht in dem Moment zusammen. In dem Moment, wenn wir nach einem in Hinblick auf unseren im Selbstwertgefühl defizitären Tag die Haustür zu unseren Liebsten aufmachen. Wir pöbeln die an, von denen wir uns eigentlich nur wünschen, dass sie uns verstehen und beruhigen.

Mitgefühl ist der Schlüssel zum Glück 

Da das Ganze nur als System funktioniert, kommt man auch nur zusammen wieder raus. Es hilft, sich kurz einmal zurückzunehmen und zu versuchen, die Situation von außen zu beschauen. Denn das lässt möglicherweise zu, dass wir uns fragen, wie geht es eigentlich meiner Partnerin/meinem Partner. Mir geht es schlecht und ich bin genervt, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie oder er ebenfalls einen anstrengenden Tag hatte und gestresst ist. Es geht nur über den Weg des Mitgefühls. Wenn wir einen Weg finden, uns in den geliebten Menschen hineinzuversetzen, stehen die Chancen gut, dass wir auch etwas von ihm zurückbekommen. 

Eigentlich brauchen wir die Psychoanalyse und Theorien nicht, um zu wissen, dass Mitgefühl der Schlüssel zum Glück ist. Die großen Weltreligionen predigen Mitgefühl und Barmherzigkeit seit Tausenden von Jahren. Wir können zuhören und annehmen oder einfach auf unser Herz hören, dann wissen wir, dass es die Basis der Verbundenheit ist.  

 


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