Doch versteht mich bitte nicht falsch: Wie bei vielen anderen zwischenmenschlichen Phänomenen, gehören auch beim Nesting immer zwei dazu. Im Fall einer heterosexuellen Beziehung, bei der der Mann der sogenannte „Nester“ ist, klappt das Ganze natürlich nur, wenn eine Frau sich auf solche Spielchen einlässt. Denn während ein Teil der Frauen ganz schnell die Reißleine zieht, wenn ihr ein Nest gebaut wird, aus dem sie immer wieder unsanft hinausgestoßen wird, gibt es einen Teil, der bleibt, obwohl er gehen sollte. Ich selbst zähle mich zu letzteren. Obwohl ich es eigentlich besser wusste, kam ich immer wieder in das Nest zurückgeklettert, aus dem ich gerade gefallen war. Immer in der Hoffnung, dass ich „meinen“ Nester doch noch umstimmen und überzeugen können würde, das Ding doch endlich bei dem Namen zu nennen, der es am treffendsten beschrieb: Beziehung.
Erlebt haben solche Situationen – obwohl das Wort „Nesting“ erst seit kurzem seine Kreise im Social Media zieht – sicherlich schon einige. Und selbstverständlich gibt es auch Frauen, die Nester sind. Das Gute daran, dass es für das Ding jetzt endlich einen Namen gibt, den man sich gut merken kann: wir können endlich was dagegen tun. Denn das Lesen und Sprechen über solche Phänomene hilft uns dabei, uns aus Situationen zu lösen, die uns nicht gut tun. Oder aber, unser eigenes Verhalten zu reflektieren.
Nester dürfen ruhig – in allererster Linie vor sich selbst! – zugeben, dass sie etwas wollen, das mehr ist als nur eine Freundschaft Plus oder ein Booty Call. Dass sie sich nach emotionaler Nähe und echter Intimität mit einer bestimmten Person sehnen. Auch wenn es vielleicht ein wenig Mut bedarf, sich selbst (und anderen) das einzugestehen. Und Menschen, die ins Nest gelockt werden, müssen vielleicht den schmerzhaften Weg der Erkenntnis gehen, dass aus einer solchen Sache nicht einmal im Märchen eine glückliche, feste Beziehung wird. Auch das erfordert Mut – das ist es aber wert. Sagt eine, die irgendwann doch noch freiwillig dem Nest entflogen ist.