Warum überhaupt über Sex reden? Es ist eine Binsenweisheit: Paare, die über Sex reden, haben mehr Sex. Doch wie? Es ist das eine, dem Partner zu sagen, was man sich wünscht, doch das andere ist, was bei dem dann ankommt. Kritik? Frust? Ein falsches Wort und leicht geht die Leichtigkeit verloren. Aus der sexuellen Begegnung wird nun ein Workshop mit Unterrichtscharakter, an dessen Ende eine Note steht. Das will wohl kaum jemand?
Nur Paare, die sich über ihre sexuellen Fantasien und Wünsche austauschen, können diese auch gemeinsam ausleben. Das lässt sich festhalten. Doch natürlich erzeugt dies auch Druck, weil sich hinter der Erkenntnis auch ein “Muss” verbirgt. Und nichts zerstört Lust und Leidenschaft so gründlich wie Stress und Druck.
Eine sexuelle Fantasie ist kein sexueller Wunsch
Vielleicht hilft hier der Gedanke der Differenzierung zwischen Wunsch und Fantasie. Wunsch will umgesetzt werden, Fantasie ist das, was in Fahrt bringt. Was aus dem Alltagsraum den Übertritt in den Erotischen Raum ermöglicht, was vielleicht auch den Kick gibt, um zum Höhepunkt zu kommen.
Beispiel Vergewaltigungsfantasien. Dies ist statistisch mit die häufigste Fantasie von Frauen. Aber diese Fantasie ist natürlich kein Wunsch! Eine spannende Theorie sagt, bei dieser Fantasie ist die Fantasierende diejenige, die alles bestimmt, deshalb sei sie so häufig. Sie alleine gäbe in ihrem Kopf, in ihrem persönlichen Film vor, was passieren kann, wie weit es geht. Und das Erregende an der Fantasie sei, da wäre ein Mann oder auch mehrere, die könnten gar nicht anders, als diese Frau zu begehren, so angezogen sind sie von ihr. In dieser von der Frau gesteuerten und inszenierten Fantasie machen alle genau das, was SIE will. Eine Umsetzung der Fantasie in einen Wunsch würde zwangsläufig dieses Script ändern und die Frau würde die Regie verlieren.
Fantasien sind nicht bedrohlich, weil sie nicht umgesetzt werden müssen
In Beziehungen ist die Furcht vor Fantasien oft groß und verhindert, überhaupt über Sex zu reden. Dabei hat jeder Fantasien, in denen der Partner nicht vorkommt. Das müssen beide aushalten können und aushalten lernen. Das Wissen darüber, dass die Fantasie eben nicht umgesetzt werden muss und noch lange kein Wunsch ist, über den die Partner dann tatsächlich verhandeln können, hat vielen Paaren schon die Sorge genommen, für ihre Fantasien abgewertet oder zurückgewiesen zu werden. In Büchern wie “Ist das normal?”* von Melanie Büttner und Sven Stockrahm oder der Studien-Sammlung über sexuelle Fantasien und Wünsche von Justin Lehmiger “Tell Me What You Want” wird sehr deutlich: Nichts, wirklich nichts, was du fantasierst, fantasieren nicht auch unzählige andere Menschen. Und je größer das Tabu, umso häufiger wird darüber fantasiert.