Die Erklärung: Attraktive Menschen haben mehr Gelegenheiten
Die Erklärung, warum das so ist, ist vermutlich weit unspektakulärer als diese Feststellung selbst. Denn als gesichert gilt, dass schöne Menschen schlicht und ergreifend mehr Gelegenheiten haben, offenere Einstellungen auszuleben – und diese dementsprechend auch häufiger (was nicht heißt: immer!) ergreifen. Wenn wir durch größere Attraktivität also viele Sexpartner haben könnten, dann wirkt sich dies offenbar auch auf unsere moralischen Einstellungen aus. Viele Liebschaften zu haben, wird dann als weniger verwerflich empfunden. Das, was ich selbst tue bzw. tun könnte, weil ich die Möglichkeit dazu habe, formt also quasi auch unsere Wertvorstellungen, so die These. Provokant ließe sich behaupten: Schöne Menschen sind in gewisser Weise „Opportunisten“. Sie passen ihre Wertvorstellungen an die (zufällig) gegebenen Umstände (nämlich selbst attraktiv zu sein) an.
Doch nicht nur schöne Menschen sind in diesem Sinne Opportunisten, jeder neigt dazu, sich den jeweils gegebenen Umständen anzupassen und danach zu handeln. Haben attraktive Personen mehr Möglichkeiten, ergibt sich im Umkehrschluss, dass weniger anziehende Menschen auch weniger Chancen haben. Dadurch stufen letztere das, was sie nicht bzw. seltener haben können, schneller als verwerflich ein.
Das Empfinden bestimmt die Einstellungen
„Grundsätzlich empfinden wir Situationen als unfair und fragwürdig, in denen wir weniger als andere bekommen, und versuchen, diese Ungleichheit zu verändern“, erklärt Urbatsch den Zusammenhang. Eine mögliche Strategie ist dann, liberalere sexuelle Neigungen als „falsch“ bzw. „verwerflich“ abzustempeln und damit das eigene Verhalten ins rechte Licht zu rücken. Es ist ein unbewusster Prozess, der zu diesem Verhalten führt. Doch letztendlich bleibt nur eines sicher: Schöne Menschen haben es in vielerlei Hinsicht einfacher und können sich daher liberalere Einstellungen auch einfacher erlauben, da sie wahrscheinlicher als andere Menschen selbst danach leben könn(t)en.
Natürlich spielt nicht nur das Aussehen eine Rolle, wenn es um die eigenen Überzeugungen geht – nur eben eine größere, als bisher vermutet.