Julius verneint das, er sei mit sich in jeder Hinsicht im Reinen. Doch er ist bereit, zu versuchen, abzuspecken und zu trainieren. Er würde alles dafür tun, dass Mila nicht mehr traurig ist und sich abgelehnt fühlt. Vielleicht hat sie recht, und er ist nicht stimmig mit seinem Körper. Vielleicht läuft das bei ihm unbewusst ab. In den folgenden Wochen verändert sich sein Körper nach und nach. Er nimmt ab und gewinnt an Form. Er freut sich darüber, er freut sich, dass Mila sich freut, die Lust kehrt allerdings nicht zurück. Und Mila wird klar, dass eine spartanische Lebensweise nicht zu Julius passt, wenn er eine Gemüsepfanne zubereitet statt eines Schweinebratens, fehlt ihm etwas. Er zeigt das nicht, er klagt nicht, aber er tut Mila leid. Sie kann das nicht mit ansehen, wie er sich quält. Eines Abends kocht sie ihm ein Überraschungsmenü nach seinem Geschmack. Julius ist erstaunt und dankbar, das Thema „Abnehmen“ ist damit vom Tisch.
Das Problem im Bett bleibt: Ist er doch asexuell?
„Ich habe angefangen, mich mit dem Thema „Asexualität“ zu befassen“, sagt Mila. „Ein Prozent der Gesamtbevölkerung ist asexuell. Ich habe immer gedacht, dass etwas Schlimmes geschehen sein muss, wenn jemand sich nicht für Sex interessiert. Das ist nicht zwingend so. Es kommt häufig vor, dass jemand schlicht und ergreifend keine Lust hat, ohne dass es einen Grund gibt, wie ein Trauma in der Kindheit oder dergleichen. Es gibt Paare, wo einer oder eine asexuell ist und das Paar arrangiert sich damit. Entweder mit Verzicht auf Sex oder der asexuelle Partner ist damit einverstanden, dass Sex außerhalb der Beziehung gelebt wird. Das geht natürlich nur, wenn man Sex und Liebe trennen kann. Ich habe mich gefragt, ob ich mich damit arrangieren kann, dass Julius und ich keinen Sex haben. Dass ich mit einem anderen Mann schlafe. Es ist für mich undenkbar.
Nach dem Experiment mit dem Abnehmen leben Julius und ich wie Bruder und Schwester zusammen. Jetzt geht gar nichts mehr im Bett. Unser Zusammenleben ist sonst herrlich, ich möchte es nicht aufgeben. Aber ich vermisse Sex. Sex mit Julius. Ich bin nicht mehr verletzt. Ich habe verstanden, dass es nichts mit mir zu tun hat. Doch ich leide, ich habe Angst. Wie wird unsere Zukunft aussehen? Haben wir eine? Kinder möchten wir beide nicht, das ist nicht das Ding, aber eine Partnerschaft ohne Sex, wie soll das gehen? Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass noch etwas zu machen ist. Hormone vielleicht. Julius wird seinen Hormonspiegel untersuchen lassen. Ich kann nicht sagen, ob wir eine Chance haben, wenn sich nichts ändert.
Wenn es bleibt, wie es ist, wäre es für mich eine Katastrophe
Eine Tragödie. Jetzt haben wir uns endlich gefunden, Julius und ich. Wir passen zusammen, wie ich es mir idealer nicht hätte ausmalen können, und dann soll die Beziehung daran scheitern, dass Julius einfach kein sexueller Mensch ist? Ich weiß, wie wichtig Sex ist. Im Moment möchte ich das aber am liebsten verdrängen. Julius meinte, er geht jeden Weg mit mir, er würde auch eine Therapie machen. Das widerstrebt mir, denn ich denke, dass Asexualität keine Krankheit oder eine Störung ist, sondern eine sexuelle Ausrichtung unter vielen sexuellen Ausrichtungen, die alle gleichberechtigt nebeneinander stehen können. Ich habe mir in meinem Leben noch nie etwas so sehr gewünscht, wie dass ein Wunder geschieht. Dass Julius plötzlich doch wieder Lust hat, dass alles eine Phase war, ein Schreckgespenst, das wieder aus unserem Leben verschwindet.“
Ratgeber: Sexuelle Funktionsstörungen
Was sind sexuelle Funktionsstörungen? Darunter verstehen Ärzte, Psychiater und Therapeutinnen eine Vielzahl von Symptomen. Diese können vor, während und nach dem Sex auftreten oder ihn ganz verhindern. Die Ursachen können organisch bedingt sein und/oder psychisch. Deshalb ist wichtig, sich von den entsprechenden Fachärzten untersuchen zu lassen. Nur dann kann eine eventuelle Therapie auch an den richtigen Stellen ansetzen. Das Bedürfnis nach Intimität und Sexualität ist tief im Menschen verankert. Wer dies nicht ausleben will, hat dafür gute Gründe. Es ist sicher falsch, diese alle gleich zu pathologisieren. Gleichzeitig ist die Libido ein wichtiger Gradmesser für körperliche und geistige Gesundheit. Hinter dem Verlust von jeglichem Verlangen kann eine ernsthafte, körperliche Erkrankung verborgen sein. Ebenso können psychische Belastungen eine Rolle spielen. Diese sind sicher ein Block wert. Beispielsweise nach Bearbeitung eines Traumas können die Betroffenen oft wieder Freude an körperlichen Begegnungen und sexueller Befriedigung finden.
- Störung des sexuellen Verlangens: Das kann von einer verminderten Libido bis zu einer regelrechten Abneigung gegen Intimität reichen.
- Störung der sexuellen Erregung: Die Erregungskurve flacht vielleicht sehr schnell wieder ab, vielleicht steigt sie auch gar nicht richtig an. Organische Ursachen können hierfür ebenso verantwortlich sein wie psychische Belastungen wie Scham oder Stress.
- Störungen während und nach des Verkehrs: Schmerzen während des Verkehrs, vorzeitige oder ausbleibende Ejakulation oder Orgasmusschwierigkeiten.