Mich hat vor ein paar Wochen ein Urteil eines britischen Richters zum Nachdenken gebracht.* Dieser hatte einem Ehemann, dessen Frau geistig nicht mehr dazu in der Lage war, in sexuelle Aktivitäten einzuwilligen oder diese abzulehnen, ein Recht auf Sex innerhalb der Beziehung eingestanden. Unabhängig vom Grad der eigenen Urteilsfähigkeit wurmt mich seitdem die Frage: Hat man in einer Beziehung ein Recht auf Sex? Und wenn ja, in welchem Umfang?
Das Problem monogamer Beziehungen
Ich möchte das Thema gern weiter fassen. Denn schließlich betrifft das Kommunizieren, Vertreten und Abgleichen der unterschiedlichen Bedürfnisse ganz viele Bereiche des Lebens. Es sind genauso auch die Filme, die wir schauen, sowie die Restaurants, in die wir gehen, die des Jonglierens unterschiedlicher Bedürfnisse bedürfen. All diese Situationen machen es notwendig, dass wir miteinander in Austausch treten und Kompromisse finden, wenn unsere Vorstellungen von dem, was wir wollen, gerade abweichen. Das Problem beim Sex in monogamen Beziehungen ist nur, dass ich meine Bedürfnisse nicht einfach nehmen und mit jemandem anderen ausleben kann – so wie ich sonst einfach mit meiner besten Freundin in den Schnulzenfilm gehen kann, den mein Freund einfach absolut nicht schauen will, und er stattdessen mit seinen Jungs zum Angeln geht – etwas, was ich absolut unspannend finde. Nur beim Sex müssen wir irgendwie miteinander auf einen Nenner kommen.
Hier ist meine Grenze!
Früher ist es mir extrem schwer gefallen, meine Bedürfnisse offen zu kommunizieren und diese gegen die meines Gegenübers zu verteidigen. Ich hatte das Gefühl, dass ich die perfekte Freundin sein und meinem Partner alle Wünsche von den Lippen ablesen muss. Damals hatte ich Angst, dass ich sonst nicht genügen und er sich sonst womöglich eine andere suchen würde, die seine Sehnsüchte besser befriedigen würde. Meine sexuelle Zugewandtheit überspielte dabei oftmals meine Selbstzweifel. Ich musste erst lernen, dass ich nicht für „etwas“, sondern wegen meiner selbst geliebt werde und dass wahre Liebe viel tiefer geht.
Seitdem lebe ich nach folgender Erkenntnis, die seither einen Grundpfeiler meiner zwischenmenschlichen Beziehungen bildet:
Wenn ich das tue, was ich möchte und mir guttut, und du das tust, was du möchtest und dir guttut: Verbringen wir unsere Zeit dann miteinander? Und wenn ja, sind wir dann glücklich?
Nur wenn ich diese beiden Fragen in der Mehrheit der Fälle mit Ja beantworten kann, hat die Beziehung für mich ausreichend Aussicht auf Erfolg. Und dies betrifft die sexuelle wie auch andere Ebenen der Partnerschaft. Oft geraten wir während der ersten Verliebtheitsphase in eine Fantasieblase der schönen Gefühle, in der wir uns gegenseitig gern in die Augen schauen. Dabei vergessen wir dank der Schmetterlinge in unserem Bauch jedoch oft die alles entscheidende Frage: „Schauen wir uns nur gern an oder schauen wir auch in die gleiche Richtung?“