Das ist einer dieser Momente, in denen man entweder auf sachlich oder emotional schalten kann. Mir fehlt an dieser Stelle immer der Bezug zum schnellen Umsatz. Auch wenn wir hier kein Sexualtherapeuten-Schild an der Tür haben, sind wir für Menschen in Extremsituationen zum Thema einfach oft der erste Ansprechpartner. Es scheint vielen so unvorstellbar zu sein, über Beziehungen und Sex im Familien- oder Freundeskreis zu sprechen, dass es mich immer wieder fassungslos macht. Millionen von Paaren, die Kinder und einen Haushalt zusammen haben, die von Liebe und absolutem Vertrauen zueinander sprechen, die überzeugt davon sind, miteinander alt werden zu wollen, aber bis dorthin nicht den Hauch einer Ahnung von intimen Sehnsüchten desjenigen haben, neben dem sie jede Nacht einschlafen. Worüber unterhalten die sich denn, wenn der Tatort vorbei ist? Halte nur ich das für mit das traurigste Ergebnis, das das hochgelobte Modell Ehe mit sich bringen kann? Dass man sich im Intimen ebenso fremd ist wie mit irgendeinem Typen in der U-Bahn?
„Wissen Sie, den meisten Männern geht es gar nicht darum, irgendwelche Fantasien wie in einem Drehbuch erfüllt zu bekommen. Im Gegenteil. Ich glaube, die meisten Männer freuen sich einfach unheimlich über eine Frau, die selbst welche hat. Eigene Fantasien, eigene Lust auf Sex. Und ich bin mir sicher, Sie haben welche. Auch wenn Sie sich vielleicht momentan etwas schwer damit tun, sich daran zu erinnern. Sprechen Sie mit Ihrem Mann, versuchen Sie zusammen wieder eine gemeinsame Intimität zu finden. Wir haben Spiele für Paare da, mit denen das auch Spaß bringt. Nehmen Sie sich doch Zeit dafür, einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Aber tun Sie sich das nicht an, eine schnelle Gebrauchsanweisung umsetzen zu wollen, die mit Ihnen selbst nichts zu tun hat.“
Etwa in dieser Art entwickelte sich unser Gespräch, das natürlich nicht nur ein Monolog war. Letztendlich suchten wir gemeinsam etwas für die Kundin heraus, mit dem sie zumindest eine sinnvolle Anregung mit nach Hause nahm, die aber keinem privaten Porno-Dreh entsprach.
Wenn man so will, habe ich dem Buchgenre der männlichen Sex-Fantasien an diesem Tag geschadet. Sicherlich auch dem möglichen Spontanumsatz, der mit verkäuferischer Gier drin gewesen wäre. Mögen die Götter des Erotik-Olymps mich dafür strafen. Aber an all den vielen Spiegeln, die hier an den Wänden hängen, möchte ich gerne jeden Tag aufrecht vorbeigehen können. Wer weiß, vielleicht findet diese Dame, die nur ein Beispiel von etlichen bedrückenden Erlebnissen dieser Art sein soll, eine Möglichkeit, gemeinsam mit ihrem Gatten etwas wiederzubeleben. Ich wünsche es ihr ebenso, wie sich selbst in diesem Versuch nicht völlig zu übergehen. Eine Heldin ist sie für mich auf jeden Fall, weil sie es zumindest versucht und dabei neue Wege wagt, die andere nicht einmal als Option sehen würden. Und das ist unglaublich viel wert.
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Candy Bukowski
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Menschen im Sexshop“
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