Mit den Jahren lernen sich die Partner richtig gut kennen und sie wissen, was in welcher Situation was bewirkt und wie es sich anfühlt. Jetzt ist die Gefahr groß, auf die sichere Nummer zu setzen und sich nach und nach auf den kleinsten gemeinsamen Erfahrungswert zurückzuziehen. Ein bewährter Handgriff hier, die erprobte Technik dort und schließlich das Tempo, das garantiert zum Ziel führt. Fühlt sich gut an, nicht super, aber gut. Und danach schläft es sich zusammengekuschelt wunderbar ein.
Das ist genau der Beziehungssex, den viele Paare fürchten. Der ist eben nur nett. Also nett in der wenig freundlichen Bedeutung. Das ist aber nicht der Beziehungssex, der super ist. Der ist erst die nächste Stufe. Wenn nämlich aller Stress wegfällt und auch jeglicher Leistungsdruck. Höher, weiter? Alles bereits erlebt. Irgendwann hat der Online-Bestellservice das ganze Sortiment an akzeptablen Spielsachen geliefert. Irgendwann ist klar, was nichts taugt, selbst wenn die Frauenzeitschrift schrieb, das wäre der neueste heiße Scheiß, den jedes Paar unbedingt probieren müsse.
In Wahrheit gibt es schon lange nichts mehr, was Menschen nicht längst miteinander ausprobiert hätten. Vieles kennen Sie nicht, weil es ganz einfach nicht Ihr Ding ist. Testen Sie es vielleicht einmal – zwei Mal, wenn es gut war –, aber zwingen Sie sich bloß nicht zu etwas, weil es ein Hashtag-Trend ist. Sie wollen den Punkt erreichen, in dem alles möglich sein kann, aber nichts mehr muss. Dann, wenn das gemeinsame Erleben so nah, so intensiv wird, dass der Höhepunkt unerheblich ist – weil es sich die ganze Zeit wie einer anfühlt.
Ist das esoterisch? Vielleicht in dem Sinn, dass die körperliche Vereinigung ebenso eine spirituelle wird. Das können Sie mit einem One-Night-Stand nicht haben. Auch nicht mit einem neuen Partner, weil es zuhause scheinbar langweilig geworden wäre. Dazu müssen Sie Geduld und Ausdauer aufbringen. Weil es nicht um einen schnellen Kick geht, sondern um die Summe von Erfahrungen und die Bereitschaft, sich von eben jenen überwältigen zu lassen.
In einem Modell, das Bewusstsein zu erklären, ist unser Geist der unablässige Dialog des Ichs mit der Außenwelt. Wir nehmen auf, was um uns herum geschieht, ordnen das ein, analysieren, überprüfen, reagieren. Aber niemals erreicht uns das Außen ungefiltert in unserem Innern. Es bleibt immer eine Barriere von Empfinden und Wahrnehmen. Sex kann die jedoch übertreten. Miteinander verschmelzen, sich gegenseitig erkennen und anerkennen und genau in diesem Zustand sich gemeinsam erleben – das ist Beziehungssex. Unendlich entspannt und unendlich befriedigend.