Living Apart Together: Getrennte Wohnungen, große Liebe?

Immer mehr Paare entscheiden sich heutzutage bewusst für eine Beziehung in getrennten Wohnungen. Hierfür gibt es inzwischen sogar einen Begriff: Living Apart Together (in etwa: „auseinander zusammen leben“). Was für manche unromantisch klingt, hat gute Gründe

LAT, so nennt sich das Prinzip: Living Apart Together. Ein Paar, zwei Wohnungen. Ursprünglich waren solche Partnerschaften ausnahmslos Fernbeziehungen: Also Paare, die meist aus beruflichen Gründen (noch) kein gemeinsames Zuhause aufbauen konnten. Heutzutage jedoch entwickeln sich alternative Beziehungsmodelle und die Vorstellung, dass jeder sein eigenes Reich behalten könnte, erscheint vielen Paaren als attraktive Option. Sogar das Statistische Bundesamt hat sich auf diese neue Beziehungsform eingestellt und nimmt nicht mehr kategorisch an, dass Alleinlebende auch automatisch Single sind.

Vor allem Frauen wollen getrennte Wohnungen

Erstaunlicherweise fällt Männern das Alleinsein schwerer. Sie definieren noch häufiger als Frauen: Beziehung = zusammenwohnen. Frauen hingegen haben keine Lust, ihrem Partner hinterher zu räumen, zu waschen, zu kochen und zu putzen. Je selbstständiger und erfolgreicher die Frau, umso geringer das Bedürfnis nach Aufgabe der lange erkämpften Freiheiten. Besonders die Frauen, die vielfältige und lange Beziehungserfahrung haben, sagen heute immer öfter nein zur gemeinsamen Wohnung, präferieren also das Living Apart Together als willkommenes, modernes Beziehungsmodell.

Living Apart Together bietet durchaus Vorteile für die Beziehung

Living Apart Together ermöglicht Partnern, sich für gemeinsam erlebte Zeit bewusst zu entscheiden. Das reduziert die Notwendigkeit für Kompromisse und Tauschgeschäfte in alltäglichen Dingen ungemein. Negativ empfundene Seiten des Partners werden so nicht zu einer immer wiederkehrenden Herausforderung, die oft dazu führt, dass das Paar die liebenswürdigen Seiten aneinander nicht mehr wahrnimmt. Außerdem ist in der Regel bei einer Living-Apart-Together-Beziehung die Aufgabenverteilung im Haushalt gleich verteilt. Immerhin ist Krach darüber ein häufiger Trennungsgrund.

Living Apart Together: Pragmatischer Realismus statt unerfüllte Romantik aus dem Bilderbuch

Was uns zum nächsten Punkt bringt: Die Vorstellung, dass zwei Menschen unter einem Dach immer in trauter Harmonie leben und sich gegenseitig die Sterne vom Himmel holen, ist wundervoll, aber leider ziemlich unrealistisch. Das Zusammenleben kann geprägt sein von:

  • Reibereien um Kleinigkeiten (Gefahr eines sich Hochschaukelns),
  • ständigen Absprachen (Voraussetzung: entsprechend hohe Bereitschaft zu konstruktiver Kommunikation),
  • und aneinander sattsehen (manchmal als „Gewöhnungseffekt“ bezeichnet).

Pragmatiker führen dann gern die LAT-Beziehung ins Feld: In zwei getrennten Wohnungen hat jeder Raum für sich – und dann auch genug Zeit und Energie, den anderen ab und an mit einer romantischen Aufmerksamkeit zu überraschen.

Bindungsangst? Dann kommt LAT als modernes Beziehungsmodell gelegen

Befürworter des LAT-Beziehungsstils sind vor allem Menschen mit vermeidendem Bindungsverhalten. Eigentlich würden sie von diversen Kleinigkeiten einer Partnerschaft in die Flucht getrieben werden (etwa, zeitgleich zu Bett zu gehen, obwohl sie eigentlich eine Nachteule sind oder die Frage Was wollen WIR heute machen?). In getrennten Wohnungen können sie sich leichter auf eine Beziehung einlassen und sich ein sichereres Bindungsverhalten aneignen, was sich ausgesprochen positiv auf die Paar-Dynamik auswirken kann. Das erklärt übrigens auch, weshalb es sich bis Mitte 30 vor allem um Männer handelt, die LAT befürworten, während Frauen rund ein Jahrzehnt später die Vorzüge zweiter Wohnungen erkennen.

Wichtig festzuhalten bleibt in jedem Fall:

Living-Apart-Together-Beziehungen ermöglichen es vielen Menschen überhaupt erst, durchaus feste und stabile Beziehungen einzugehen.

Wenn beide Partner mit einer LAT-Beziehung glücklich sind, spricht nichts gegen dieses immer beliebter werdende „Beziehungsmodell“, das ja im Wesentlichen ein Wohnmodell ist und keine Aussage über die Tiefe und Wahrhaftigkeit der Liebe tätigt.

LAT: Aus Erfahrung klug?

LAT-Paare sind selten mit junge Liebe zu beschreiben: Die meisten sind 40 aufwärts. Viele, besonders ab 50+, waren bereits verheiratet.

Nicht vergessen: Die heutige 70+ Generation löste mit der Frage nach den getrennten Schlafzimmern eine kleine Revolution aus. Die hatten jedoch Platz dafür im Einfamilien- oder Reihenhaus am Stadtrand. Unsere Generation jedoch zieht es mitten in die Stadt; wirklich große Wohnungen sind dort nicht bezahlbar. So bleiben die Partner häufig in der Wohnung, die sie vor dem Kennenlernen bereits hatten, einfach wohnen. Und nur zum Geld sparen ist Zusammenziehen nicht wirklich romantisch.


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