Schon auf dem Weg zur Arbeit holte ich regelmäßig mein Smartphone aus der Tasche, nur um festzustellen, dass ich es ja gar nicht brauchte. Ich wollte doch nur ein „ich bin so müde“, oder „die Bahn ist so voll“ verschicken. Ich wollte meine Gefühle und Gedanken teilen, seien sie auch noch so unwichtig. Sogar jetzt will ich mich schriftlich bei meinem Freund beklagen, dass ich ihm ja nicht schreiben dürfte, und das doof sei. Mein Hirn muss sich erstmal daran gewöhnen, dass ich meine Gedanken nun nicht mehr direkt teilen kann, sondern sie mir für den Abend aufsparen musste. Hatte mein Herzblatt schon beim Arzt angerufen, um einen neuen Termin auszumachen? Ist er überhaupt gut zur Arbeit gekommen? Vielleicht hat er verschlafen und ich kann ihn nicht per Nachricht wecken? Entzugserscheinungen! Schlimme Entzugserscheinungen! Schnell mal den Link eines tollen Artikels versenden … ist nicht! Ich könnte schreien. Zumindest bürgert sich mit der Zeit eine alte Gewohnheit wieder ein: das Anklingeln! Als Anrufe und Nachrichten noch sündhaft teuer waren, nutzten meine Freunde und ich das kurze Anklingeln, also ein oder zweimal klingeln lassen, um zu sagen: Ich denk an dich! Es grauste mir vor dem Gedanken, diese Qualen noch über viele Tage durchhalten zu müssen. Würde es irgendwann besser werden?
Unsere Gespräche werden länger
Das „nicht schreiben“, halten wir nun schon seit mehreren Tagen durch. Und ich kann eines behaupten: es wird einfacher! Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, dass man, wenn es wichtig ist, einfach anruft. Nicht wegen jeder Kleinigkeit, sondern nur falls essenzielle Fragen oder Probleme auftauchen. Gerade die Organisation von Einkäufen, Abendbrot und allgemeiner Freizeitgestaltung, lässt sich super per Telefon regeln. Aber was ist mit den Dingen, die nicht die Organisation betreffen? Den Austausch von Tageserlebnissen und Gefühlen? Auffallend ist, dass die Gespräche am Abend länger geworden sind. Da weder ich, noch er, über den Tag verteilte Erlebnisse schriftlich austauschen konnten, werden diese Informationen einfach auf den Abend konzentriert. Das ist schön! Anstatt im Halbschlaf Serien zu schauen, kommt eine richtig lange Kommunikation zustande. Manchmal schaffen wir es gar nicht in der kurzen Zeit, alle unsere Erlebnisse auszuwerten.
Eine Beziehung bedeutet Organisationsaufwand
Ist es also gar nicht so schlimm, das Schreiben einfach weg zu lassen? Ganz so einfach ist es leider doch nicht. Schwierig wird das „nicht schreiben“ nämlich, wenn es zu kurzen Planänderungen kommt. Bahn verpasst? Kurzfristiger Termin im Büro? Geht mein Freund nicht ans Telefon, wundert er sich, warum ich nicht pünktlich zur Verabredung erscheine. Gottseidank kamen solche Momente bis jetzt nicht vor, aber das Risiko besteht. Wenn man nicht miteinander schreiben darf, fällt einem erst auf, wie viel Organisationsaufwand doch hinter einer Beziehung steckt. Schließlich sind es zwei ganze Leben, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Ständige Absprachen und gemeinsame Planungen nehmen einen großen Teil der Kommunikation ein. In dieser Hinsicht haben die fehlenden Nachrichten allerdings auch Vorteile: Man lernt sich auf den anderen zu verlassen und Verabredungen einzuhalten. Sind kurzfristige Umplanungen nicht möglich, zieht man einen Plan einfach durch.