Wenn Magersucht die Beziehung gefährdet

Magersucht bzw. Anorexia nervosa ist eine schwerwiegende Erkrankung, die die Betroffenen nicht selten in lebensbedrohliche Zustände führt und auch für Angehörige und Partner eine große Belastung darstellt. Wie man es trotzdem gemeinsam schaffen kann, darüber informiert unsere Autorin Christiane Lénard

Seit heute Morgen macht sich Julia Gedanken über den heutigen Abend. Nick, ihr Freund, hatte am Telefon gesagt, dass sein Kollege ihn und sie heute Abend zum Essen eingeladen hat. Und wenn sie einfach nichts isst und vorgibt, sich nicht wohl zu fühlen? Dann kann sie auch gleich zuhause bleiben. Sie will Nick nicht schon wieder enttäuschen. Sie könnte ja die Vorspeise essen und dann sagen, dass sie schon heute Nachmittag bei einer Freundin Geburtstagskuchen hätte essen müssen und sie einfach keinen Hunger habe. In jedem Fall wird sie jetzt erstmal joggen gehen. Und danach noch schwimmen. Das dürfte ein wenig ausgleichen. Zum Glück kann sie sich die Arbeit einteilen, sie wird einfach später ins Büro gehen. Die Waage hat heute Morgen ganz erfreuliche 100g weniger angezeigt.

Als sie nach dem Essen nach Hause kommen, ist die Stimmung schlecht. Sie hat das Gefühl, aufgebläht und fett zu sein, morgen wird sie gar nichts essen. Und Nick hat sie auch enttäuscht. Nur den Salat hat sie gegessen.

Nick will auch einfach nur ins Bett. Er macht sich Sorgen. Seine Freundin wirkt immer zerbrechlicher, irgendwann wird sie einfach umkippen. Warum macht sie sich so kaputt? Und wenn er sie in den Arm nehmen will, wehrt sie ihn ab. An Sex ist ohnehin schon seit Wochen nicht zu denken. Ihre Essstörung wird immer mehr auch zu seinem Problem.

Die gefährliche Angst vor dem Essen

Anorexia nervosa (a) (oder kurz: Anorexie), wie die Magersucht in der Fachsprache heißt, ist eine der häufigsten Essstörungen unserer Zeit. Insbesondere Mädchen und junge Frauen sind betroffen, das Ersterkrankungsalter liegt in den meisten Fällen in der Pubertät. Allerdings kann die Krankheit auch später erstmalig auftreten, erneut auftreten oder sich zu einer chronischen Essstörung entwickeln. Nur etwa die Hälfte der Betroffenen können „geheilt“ werden, viele leiden ihr Leben lang unter einem gestörten Verhältnis zum Essen. Jungen oder junge Männer erkranken wesentlich seltener (Verhältnis Frauen zu Männer = 10 zu 0,5-1) (b).

Symptome der Magersucht

Das Hauptsymptom ist die starke und selbst herbeigeführte Gewichtsabnahme (BMI < 17,5). Jedes Gramm weniger scheint die Betroffenen in eine euphorische Stimmung zu versetzen. Das starke Untergewicht kann weitere körperliche Symptome nach sich ziehen, z.B. einen verlangsamten Puls, Herzrhythmusstörungen, Mangeldurchblutung und häufiges Frieren, Haarausfall und trockene Haut, Schlafstörungen und ein Ausbleiben der Regelblutung. Letztlich führt die Mangelernährung in nicht wenigen Fällen zum Tod. Selbst dies nehmen die Betroffenen in Kauf, nichts erscheint ihnen schlimmer als die Gewichtszunahme. In schätzungsweise 10-15 Prozent der Fälle endet die Krankheit tödlich.*

Gewichtskontrolle und ständiges Gedankenkreisen rund ums Thema Essen

Um das Gewicht zu kontrollieren und zu reduzieren, werden Kalorien gezählt, Sport gemacht oder die Nahrung erbrochen, auch Appetitzügler, Abführmittel und Diuretika werden eingesetzt. Die Gedanken kreisen ständig um das Essen bzw. das Nichtessen. Gemeinsame Nahrungsaufnahmen mit anderen werden vermieden. Das Essen wird vorgetäuscht. Viele Betroffene beschäftigen sich dennoch den ganzen Tag damit, für andere Essen zuzubereiten oder Kochbücher zu studieren.


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