Die Herren bleiben unter sich. Die Damen ebenso. Ist das nicht von gestern? Jule Blogt prüft Freundschaften zwischen Männern und Frauen
„Heute wollte ich mich noch mit Jenny verabreden, morgen dann ein Bierchen mit Clara und am Wochenende Party mit Monika!“, erläuterte mir mein Freund seine Wochenplanung. Ich schluckte. Jenny, Clara, Monika, das waren alles Frauen! Frauen, die ich abgesehen von diversen Erzählungen, nicht einmal kannte. Mein Freund gehört zu der Sorte Männer, die hauptsächlich Mädels zu ihrem engeren Kreis zählen können. Da ist er in meinem Umfeld nicht der Einzige. Es existieren anscheinend zwei verschiedene „Freundschaftstypen“. Die einen bevorzugen Freundschaften mit Menschen des gleichen Geschlechts, die anderen verbringen ihre Zeit lieber mit Menschen des anderen Geschlechts. Vermutlich gibt es auch so ein gewisses „Zwischending“, aber meiner Erfahrung nach ist immer eine klare Tendenz zu erkennen. Ich gehöre zu den Frauen, die eigentlich nur mit Männern rumhängen. Das war schon immer so! Ich konnte auch in jungen Jahren den Freundschaften mit Frauen nicht sehr viel abgewinnen. Das war mir irgendwie zu tussig und zu anstrengend. Ich wollte meine Freizeit entspannt verbringen, anstatt mich den Zickereien der Damen auszusetzen.
Ich bin eine Frau, die eigentlich nur mit Männern rumhängt
In meinem Leben gab und gibt es exakt eine Frau (na gut, abgesehen von Mutti), mit der ich gerne meine Zeit verbringe: meine beste Freundin! Die reicht mir voll und ganz. Mit ihr kann ich mich über Männer auslassen, die neuesten Lockenwickler testen und genüsslich Schuhe shoppen gehen. Der Rest meines Freundeskreises ist komplett männlich. Manchmal kann ich mich gar nicht entscheiden, welcher der Herren denn nun den Titel „bester Freund“ verdient hätte. Sie sind alle sowas von zum Knuddeln, dass ich sie insgesamt als „beste Freunde“ bezeichnen müsste. Wir verbringen unsere Zeit mit ausgiebigem Quatschen, Spaziergängen und natürlich dem rauschenden Nachtleben. Das soll so, das ist perfekt so! Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mit einem eher weiblichen Freundeskreis glücklicher wäre.
Und wie sieht es bei den Männern aus? „Ich unterhalte mich halt lieber mit Personen, die zwei Brüste haben!“ erklärte mir ein guter Freund, als ich ihn auf das Thema ansprach. Was im ersten Moment plump und sexistisch klang, relativierte er schnell und lieferte mir eine schlüssige Erklärung. „Mit Männern lässt es sich einfach schlechter reden. Die sind glücklich, wenn sie zwar auf einem Sofa sitzen können, aber nicht kommunizieren müssen. Zocken und so, verstehst du?“ Hm, dachte ich, das kann doch nicht alles sein! „Tiefgründige Gespräche? Führe ich mit Frauen! Bei Männern braucht es mindestens zwei Bier, damit sie sich ein wenig öffnen“, gestand mir ein anderer Freund.
Tiefgründige Gespräche? Führe ich mit Frauen!
Die Männer, die vor allem einen männlich geprägten Freundeskreis hatten, waren tatsächlich eher „oberflächlich“, was die Gespräche anbelangte. Sie unterhielten sich über Sport, Politik oder auch Frauen, aber so richtig tiefgründig wurde es nie. Irgendwie typisch männlich, finde ich. Da zeigt sich für mich wieder diese Unbeschwertheit, die ich an Männern so bewundere. Die Herren, welche eher gleichgeschlechtliche Freundschaften führten, schienen für mich eher ein wenig verschlossen zu sein. Sie fühlten sich wohl in ihrer vertrauten Runde, sie kannten die Spielregeln. Das geht den Damen allerdings genauso! Haben Sie schon einmal eine größere Frauentruppe auf der Straße erlebt? Da wird gegackert, gezickt, gelästert! Eben dieses „Frauending“. Es hat etwas von Wohlfühlzone, die ungern verlassen wird. Für mich ein Graus! Da stellen sich mir alle Nackenhaare auf. Keine Ahnung, warum ich so gepolt bin, aber ich genieße gute Gespräche mit Männern. Sie eröffnen mir neue Sichtweisen und bringen mir Einsichten, die ich unter Frauen wohl nie gehabt hätte. Denn ich weiß wie Frauen ticken, ich bin schließlich selbst eine! Vielleicht ist es der Reiz am „Unbekannten“, der einen Teil der Männer sowie auch der Frauen in Freundschaften mit dem anderen Geschlecht treibt?
Ich bewundere die Unbeschwertheit an Männern
So schön diese Freundschaften auch sind und so sehr ich sie jedem Menschen gönne, eine Beziehung können sie auf eine harte Probe stellen! Das wurde mir ganz schnell klar, als mein Freund seine ganzen „Kumpelinen“ aufzählte. Mein Kopf begann dann leider direkt, diesen Namen irgendwelche Topmodel-Gesichter zuzuordnen. Dazu gesellten sich Gedanken wie: „Mit der kann er also zusammen dies oder das tun, das kann er mit mir nicht. Warum ist er dann nicht gleich mit ihr zusammen?“. Halt! Stopp! So geht’s nicht! In solchen Momenten muss ich mein Hirn stoppen. Würde ich dies nicht tun, könnte man mir im Gesicht ansehen, wie mir das Gift der Eifersucht unaufhörlich in meine Blutbahn schießt. Bemerke ich, dass sich solche Gedanken in meinen Kopf schleichen, wirke ich direkt entgegen. Ich denke an meine männlichen Herzensmenschen und mache mir klar, wie unsinnig es wäre, wenn jemand auf diese Herren eifersüchtig sein würde. Das beruhigt!
Vermutlich genießt es auch mein Freund sehr, sich mit anderen Damen auszutauschen. Vielleicht hilft ihm das, mich besser verstehen zu können? Ich habe im Allgemeinen den Eindruck, dass Männer, welche einen sehr weiblich geprägten Freundeskreis haben, mehr Verständnis aufbringen. Ich habe das Gefühl, dass sie über mehr Einfühlungsvermögen verfügen.
Den weiblichen Namen ordnete ich sofort Topmodel-Gesichter zu
Mir ist allerdings auch bewusst, dass meine männlichen Freundschaften für viele Partner ein Problem darstellen. Schließlich habe ich eine Verbindung zu diesen „Männerfreunden“, die exklusiv ist! Da passt kein Partner dazwischen. Oft muss ich Fragen wie: „Wer ist denn das schon wieder?“, „Geht ihr da etwa allein hin?“, oder „Will der nicht was von dir?“, beantworten. Es ist schließlich Konkurrenz, mit der ich mich da umgebe. Meine engen männlichen Freunde könnte man mir auf den Bauch binden, und da würde nichts gehen! Ehrlich! Ich verstehe immer gar nicht, wie andere Menschen damit Probleme haben können. Ein enger Freund ist für mich, entschuldigen Sie bitte die weniger nette Formulierung, kein sexuell attraktives Wesen. Ich liebe sie, aber ich kann mir nicht vorstellen, körperliches Begehren für sie zu empfinden.
Ich erinnere mich noch gut an eine Situation, in der mir ein guter Freund sagte: „Jule, weißt du, du bist für mich ein asexuelles Wesen. Du könntest dich vor mir ausziehen, und ich würde nicht mit dir ins Bett wollen.“ Als ich diese Worte hörte, war ich schockiert. Nicht nur schockiert, sondern auch so richtig beleidigt. Was fällt ihm ein, so etwas zu sagen? Es brauchte einige Momente bis ich erkannte, was er wirklich gemeint hatte. Er wollte mir sagen, dass wir eine innige Freundschaft führten, ohne dass er ein sexuelles Interesse an mir hatte. Das war also eine Art Liebeserklärung wie sie sich nur Freunde machen konnten. Ich nahm ihn in den Arm und drückte ihm einen dicken Schmatzer auf.
Freundschaften zum anderen Geschlecht mögen zwar im ersten Moment bedrohlich für eine Beziehung wirken, aber man sollte nie die positiven Aspekte übersehen.
Wir Frauen brauchen manchmal einen männlichen Blickwinkel auf Situationen, um unsere Perspektive zu erweitern. Männliche Freunde sind ehrlicher! Sie knallen uns ein „Er steht einfach nicht auf dich!“ vor die Füße, während unsere Ladys noch in mitleidiger Hoffnung baden. Und wer, liebe Herren, rennt mit euch stundenlang durch Geschäfte, um das perfekte Outfit für euer anstehendes Date zu finden? Sicherlich nicht der Fußballfreund, der so gerne über eure Filmzitate lacht! Ich glaube, wir nehmen uns sehr viel damit weg, wenn wir unserem Partner Freundschaften zum anderen Geschlecht verübeln. Sie stellen keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung dar. Und wer weiß, vielleicht wird aus „deinem“ oder „meinem“ Freund, ganz schnell „unser“ Freund?