Wenn die Liebe sich langsam einschleicht

Es braucht nur Sympathie und gemeinsame Zeit, damit sich zwei Menschen verlieben können. Das behaupten zahlreiche Studien. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die Chance riesig ist, dass sich in einer guten Freundschaft einer in den anderen verliebt. Liebesforscherin Birgit Ehrenberg über ein Paar, bei dem es nicht platonisch blieb.

Hanna als seelische Gebliebte

Hannas beste Freundin sagt: „Du machst Dir etwas vor. Du bist die Geliebte von Fritz, seine seelische Geliebte. Das ist nicht viel anders, als wenn Du mit ihm regelmäßig ins Bett gehen würdest. Eine Single-Frau kann einfach nicht mit einem gebundenen Mann zusammen sein, wenn sie den gut findet, selbst wenn das eine ausschließlich geistige Beziehung ist. Der Rest kommt unweigerlich, die Sehnsucht schleicht sich ein wie ein Gift und macht einen fertig, man wird unglücklich. Du wirst es. Du bist es schon.“ 

Hanna sagt: “Leider ist das wahr. Unglücklich bin ich in der letzten Zeit immer öfter, nachdem Fritz und ich uns nach einem intensiven Austausch voneinander verabschiedet haben. Das dauert nicht lange an mit dem Unglück, ich kriege mich immer nach ein paar traurigen Stunden ein, und dann verabrede ich mich wieder mit Fritz und freue mich total darauf. Wir gehen an der Alster entlang. Wir gehen auf Tauchstation in unsere philosophische Welt und kommen in einen herrlichen Flow. Ich erzähle ihm von einem Buch, das ich gelesen habe, er hat es natürlich auch gelesen. Unsere Gedanken fließen ineinander, nach den Gesprächen bin ich erholt und frisch. Ich fühle mich wie neugeboren. Tja, wenn ich mich selbst reden höre, klingt es in meinen Ohren tatsächlich so, wie wenn ich über großartigen Sex spreche.

Von theoretischer Erotik zur körperlichen Geschichte?

Meine Freundin sagt, diese spezielle Art des Miteinanders nenne man Sapio-Sexualität. „Sapio“, das bedeute im Lateinischen „Wissen“. Und die Grenze von dieser Art von theoretischer Erotik zu einer körperlichen Geschichte, wo man dann ganz praktisch miteinander ins Bett hüpft, die sei leicht einzureißen. Die reiße von selbst schnell ein, sie sei so dünn wie Pergamentpapier, man könne quasi durchgucken. Ich weiß, wovon meine Freundin spricht. Ich habe bereits einen Riss erlebt.

Als ich Geburtstag hatte, habe ich mir Fritz herbeigewünscht. Ich hoffte, dass er sich meldet, ich habe darauf gewartet. Er hat an mich gedacht, er hat eine kurze SMS geschrieben. Erst war ich happy, dann spürte ich, es ist mir zu wenig. Ich habe mehr erwartet. Ich war enttäuscht. Seit zwei Jahren sind wir jetzt philosophisch zusammen unterwegs, Fritz und ich. Letztes Jahr hat er an meinem Geburtstag auch nur eine kurze Mail geschrieben, es war okay für mich. Dieses Jahr habe ich irgendwie gedacht, er ruft an oder er schickt mir einen Strauß Blumen. 

Habe ich mich in Fritz verliebt?

Vielleicht hätte er es auch getan, er hat mir schon einmal etwas geschenkt, einfach so, zwischendurch. Es waren keine Blumen, es war ein Buch, das passt zu unserer Beziehung. Geschenke sind eben nicht selbstverständlich, wie sie bei Liebenden selbstverständlich sind. Wir sind keine Liebenden. Wie sollte mein Geburtstag für Fritz eine herausragende Bedeutung haben? Ich frage mich, ob ich mich vielleicht in Fritz verliebt habe. Oder ob ich schlicht all meine Wünsche und Träume von Zweisamkeit auf ihn projiziere und nicht in ihn verliebt bin. Eigentlich ist er nämlich gar nicht mein Typ. Fritz ist sehr schlank und dunkelhaarig, ich stehe auf blonde Männer, die kräftig sind.” 


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