Also halten wir an (unguten) Beziehungen fest
In der Psychologie und auch Ökonomie gibt es für solche, eigentlich irrationalen, Handlungen verschiedenen Bezeichnungen und Begrifflichkeiten, die alle das Phänomen beschreiben, warum Menschen an verlustreichen oder erfolglosen Handlungen festhalten. Oft wird dieses (Fehl-) Verhalten als „entrapment“ oder „escalation of commitment“ bezeichnet, wobei Titel wie „too much invested to quit“1 oder „knee deep in the big muddy“ recht anschaulich beschreiben, in welchem Dilemma die Handelnden stecken. Man hat einfach zu viel in ein Projekt, eine Handlung investiert, als das man jetzt aussteigen und einen anderen Weg einschlagen könnte. So verstrickt man sich in die eigenen Entscheidungen und kommt zu der Überzeugung, nicht wieder heraus zu kommen, nicht umkehren zu können. Denn die Investitionen (ganz gleich welcher Natur: emotional, finanziell, zeitlich u.a.) sind getätigt, es gibt sie nicht zurück. Deshalb wird in diesen Zusammenhängen auch oft von „sunk-cost effect“ gesprochen.
Warum ist es so schwer für uns umzukehren oder auszusteigen?
Das beschriebenen Phänomen betrifft uns nicht nur in unserem Alltag, sondern auch aus der Wirtschaft und der Politik lassen sich unzählige Beispiele finden, in denen an einem einmal eingeschlagenem Weg festgehalten wird (und sogar oft noch weiter oder mehr investiert wird), obwohl sich dieser als nicht rentabel erweist (Berliner Flughafen) oder sogar Menschenleben kostet (wenn bereits verlorene militärische Einsätze fortgeführt werden).
Staw2 und Ross3 haben eine Reihe von Determinanten zusammengetragen, die zu eskalierendem Commitment führen können und sich gegenseitig verstärken, ergänzen oder auch ausgleichen. Klar ist, dass viele Faktoren zusammenkommen müssen, damit eine Handlung oder ein Entscheidungsprozess in dieser Weise eskaliert, also fortgeführt wird. Wir wollen uns einige Faktoren anschauen und an unseren Beispielen verstehen, warum wir uns so schwertun, aus Beziehungen auszusteigen, selbst wenn sie uns nicht glücklich machen.
1. Keine guten Alternativen und Kosten des Ausstiegs
Hier handelt es sich um die ökonomischen Merkmale, die die Beziehung mitbringt. Z.B. die Investitionen für den Hausbau und die Kosten, die entstehen, wenn das gemeinsame Haus verkauft werden müsste bzw. ein Partner eine neue Wohnung mieten müsste. Möglicherweise findet sich auch keine oder keine bezahlbare Wohnung.
2. Optimismus und Selbstrechtfertigung
Tina glaubt fest daran, dass sich alles zum Besseren wendet. Und letztlich denkt auch Simon, dass er und Nadine schon so viele Jahre und auch Tiefen überstanden haben, dass sie das Ruder noch einmal rumreißen können. Dieser Optimismus wohnt uns Menschen inne und er ist in vielen Fällen gut, denn er lässt uns positiv in die Zukunft blicken, allerdings auch schlechte Entwicklungen ausblenden. Dann neigen wir dazu, an etwas festzuhalten, was nicht gut für uns läuft.
Sowohl Tina und auch Simon wollen sich nicht eingestehen, dass sie möglicherweise einen Fehler gemacht oder eine falsche Entscheidung getroffen haben. Dies lässt sich mit dem eigenen Selbstbild schwer vereinbaren und deshalb sind wir geneigt, auch Warnsignale (man hat sich nichts mehr zu sagen oder geht sich aus dem Weg) oder negative Erfahrungen (Jakob stößt Tina gegen die Tür und trifft sich mit anderen Frauen) anzuzweifeln, nicht richtig einzuordnen, zu verleugnen oder uns schön zu reden („Es ist ja nichts Schlimmeres passiert“).
3. Was sollen die Leute denken
Es ist uns nicht egal, was andere über uns denken. Wir möchten unser Gesicht wahren. Sich einen Fehler einzugestehen, ist nicht nur mit dem eigenen Selbstbild schwer vereinbar (ein guter Ehemann und Vater, eine gute Freundin zu sein), sondern wir wollen auch nicht, dass andere von uns denken, wir würden aufgeben, sobald sich Schwierigkeiten ergeben oder wir nicht zu unserer Entscheidung oder Wahl stehen. Immerhin hat man sich den Mann oder die Frau selbst ausgesucht und sich verliebt, und ihn/sie möglicherweise gegen die Familie verteidigt, dann wird man das jetzt doch wohl auch durchhalten.