Für mich war mein Eheversprechen auf der Hochzeitsfeier vor unseren gemeinsamen Freunden das Bewegendste der Heirat. Vorher hätte ich mich sicher eher als Heiratsmuffel bezeichnet, wir waren beinahe zehn Jahre zusammen, wozu noch heiraten? Aber dieser Moment war unvergesslich schön, weil es ein öffentlicher und geteilter Augenblick unserer Liebe war: Wir als Paar versprechen uns etwas vor all den Menschen, die uns wichtig sind. Was bedeutet für Sie das Eheversprechen?
Alles! Ich finde nicht, dass die Worte „Ich liebe dich“, die schönsten Worte der Welt sind, sondern diese: „Ja, ich will.“ Sie bedeuten, dass man sich aus dem Augenblick löst und nicht nur einen vorsichtigen Blick auf die Ewigkeit wirft, mit ihr kokettiert, sondern sich diese auch zutraut. Dazu gehört Mut und Vertrauen, man muss sich vor allem selbst vertrauen, dass man das schafft, ein Versprechen zu geben und es zu halten.
Der Philosoph Friedrich Nietzsche hat die Fähigkeit des Menschen, ein Versprechen zu geben, den „Sinn der gesamten Menschheitsgeschichte“ genannt. Jemand sagt sich gut für die Zukunft, das ist ein gewaltiges Vorhaben. Mit dem Gutsagen will Nietzsche sagen: Die Person X macht von sich in der Gegenwart eine positive Aussage, die für die Zukunft gilt. Das hat Format und Charakter, das verursacht bei mir heilige Schauer.
Wo wir bei „heilig“ sind. Die Unterschrift beim Standesamt und das Eheversprechen vor der Familie und den Freunden ist das Eine, das ist die weltliche Seite. Das Versprechen vor Gott ist das andere, das geistig-spirituell Prinzip. Die Ehe ist ohne einen religiösen Kontext nicht zu denken, jede Religion misst der Ehe eine große Bedeutung bei. Bei den Katholiken ist die Ehe sogar ein Sakrament. Ich denke, viele Christen würden zustimmen, wenn ich sage: Gott ist Liebe. Für jeden Gläubigen, der vorm Altar „Ich will“ verspricht und hinzufügt „Mit Gottes Hilfe“ und dann den Segen erhält, ist dieses Ritual der sinnfällige Ausdruck dafür, dass ich meine Liebe eben nicht nur mir und meinem Partner, sondern auch einer höheren Macht anvertraue. Das bettet die Liebe, die Ehe, in einen metaphysischen Kontext, der selbst ungläubigen Menschen, die nur wegen der Romantik kirchlich heiraten, unter die Haut geht. Über das Eheversprechen und dessen Bedeutung könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Insofern kann ich sehr gut nachvollziehen, lieber Herr Hegmann, dass Ihnen das Eheversprechen so viel bedeutet.
Liebesheirat gegen Vernunftehe: Diese Diskussion erlebe ich mit zwiespältigen Gefühlen, denn warum sollte Heiraten entweder-oder sein? Damit das Paar nicht später bei mir in der Beratung sitzen wird, sollte es sowohl-als-auch sein, oder bin ich Ihnen da zu pragmatisch?
Überhaupt nicht. Sie sprechen mir aus der Seele. Ich wiederhole das in meinen Texten gebetsmühlenartig: Eine tiefe Liebe ist mitnichten unvernünftig oder gar verrückt. Liebe hat eine eigene Vernunft. Deshalb gibt es für mich nicht den Widerspruch Liebesheirat/Vernunftehe.