In vielen Fällen kann das erheblich davon abweichen, wie wir unseren Traumpartner kennengelernt haben. Der Mensch, der zu Beginn bei unseren ersten Dates stundenlang mit mir reden wollte, war plötzlich deutlich weniger kommunikativ, als er von einem stressigen Arbeitstag nach Hause kam, und fühlt sich von mir genervt, wenn ich meine diversen Eindrücke und Erkenntnisse des Tages mit ihm teilen wollte. Die reflektiere und nachdenkliche Seite, die ihn am Anfang an mir begeisterte, wurde ihm im Alltag manchmal zu anstrengend. Und auch seine Affinität zu Büchern, die er zu Beginn versuchte zu betonen, weil er wusste, dass ich eine absolute Leseratte bin und auf gebildete Männer stehe, wich schnell der Erkenntnis, dass die Bücher, die er im Haus hat, an einer Hand abzuzählen sind und seine Lieblingsfreizeitbeschäftigung doch eher der Fernseher darstellt. Der Mann, mit dem ich heute zusammen bin, ist daher bereits jetzt ein anderer als der, den ich kennengelernt habe.
Für eine Beziehung muss man sich immer wieder entscheiden
Erst wenn wir den anderen wirklich so kennenlernen, wie er ist – in entspannten wie in gestressten Zeiten, an Sonnentagen sowie bei Streit –, können wir erleben, ob wir uns auch in diese Facetten von ihm verlieben bzw. damit entsprechend leben können, damit uns das Zusammenleben auch unter diesen Voraussetzungen immer noch Spaß macht. Eine Beziehung ist daher nicht eine Entscheidung, die man einmal am Anfang trifft, sondern für die man sich immer wieder neu entscheiden muss. Die wahre Entscheidung für eine Beziehung wird daher nicht am Anfang getroffen, wenn man sich entscheidet, zusammen zu sein, sondern viel später, wenn man sich dafür entscheidet, auch zusammenzubleiben.
Die Liebe auf den zweiten Blick ist daher im Vergleich zum anfänglichen schnellen Verliebtsein die reifere, überlegtere und wichtigere Form der Liebe. Erst sie entscheidet, wie lange wir die Zeit miteinander als bereichernd empfinden oder ob wir von der Version unseres Partners, die er über die Zeit wird, nur noch genervt sind. Schaffen wir es, uns immer wieder in die unterschiedlichen Gesichter und Entwicklungsstufen des anderen zu verlieben, haben wir eine Chance, langfristig zusammenzubleiben. Man verliebt sich nämlich nicht nur einmal und das ist Fluch und Segen zugleich.
Lesen Sie auch: