Tatsächlich sind diese Lieben auf den zweiten, dritten oder hundertsten Blick die eigentlich wichtigen Faktoren dafür, dass eine Beziehung dauerhaft hält. Man verliebt sich am Anfang vielleicht in einen Teenie oder Studenten, der wird über die Zeit zum Absolventen und Berufseinsteiger, reift zu einer Person mit anderen Perspektiven heran, entdeckt neue Hobbys und lebt andere Teile seiner Persönlichkeit aus. Irgendwann lieben wir dann ein Elternteil, einen Rentner oder ein Großelternteil und vielleicht auch einen kranken Menschen, einen Menschen, der in seinem Job und dem damit einhergehenden Stress versinkt oder zwischendurch mal keine Arbeit hat.
Liebe kann nicht starr sein
Die amerikanische Paarpsychologin Esther Perel sagte dazu in einem TED-Talk:
Jeder von uns führt in seinem Leben mehrere Beziehungen – manche tun dies mit einer Person, andere mit mehreren.
Und damit hat sie so Recht. Die Liebe zu einem Menschen kann gar nicht starr sein, sondern muss flexibel bleiben, weil wir Menschen es sind und der Lauf des Lebens zahlreiche Veränderungen mit sich bringt. Selbst in einer Beziehung zu einer Person sind wir daher über die Zeit mit ganz unterschiedlichen Partnern zusammen.
Die wichtigste Frage ist daher, ob wir uns auf die unterschiedlichen Entwicklungsstufen eines Menschen einlassen können und auch mit diesen zusammen sein wollen. Oft steht dahinter auch die Herausforderung, ob wir uns beide in ähnliche Richtungen entwickeln oder uns im Verlauf des Miteinanders voneinander entfernen. Jemand, den wir mit 16 angehimmelt haben, kann mit 30 oder 50 Jahren ein ganz anderer Mensch mit ganz anderen Interessen sein. Nicht immer passt man dann auch als Paar noch zusammen.
Am Anfang ist es ja oft so, dass wir beim Kennenlernen unseres Gegenübers die etwas aufgehübschte Version des anderen gezeigt bekommen. Frau schminkt sich vielleicht ein bisschen mehr und Mann zeigt sich besonders interessiert. Die Liebe auf den ersten Blick kann daher nur das Verlieben in das „Werbe-Ich“ des Lieblings darstellen. Über die Zeit, wenn man den anderen dann ein wenig sicherer hat und sich in der Beziehung eingroovt, traut man sich dann auch mal die Seiten an sich zu zeigen, die man sonst eher vor der Öffentlichkeit versteckt hält. Insbesondere wenn man zusammenwohnt bleibt es nicht aus, den anderen wirklich so kennenzulernen, wie er ist, wenn keiner zuschaut.