Wir wollten es zunächst mit einer weiteren Frau probieren
Da sexuelle Attraktivität bei mir nicht an ein Geschlecht gebunden ist, viel die Wahl recht schnell auf das Einladen einer anderen Frau und die Anmeldung bei einer Dating-App. „Nur mal gucken was passiert“ war die Devise.
Ja, ja …
Die erste Frau, die wir trafen, war Lotta. Und was soll ich sagen … Zu unserem zweiten Date fuhren wir zusammen in den Urlaub.
Mir war schnell klar, dass sich die Bedürfnisse meines Mannes stark von meinen unterschieden. Ich wollte raus in die Welt und so viele Menschen und Begegnungen mit meiner neu gewonnen Freiheit genießen, wie ich nur konnte.
Unsere Bedürfnisse sind unterschiedlich
Er wollte keine weiteren Dates. Lieber die Beziehung zu Lotta vertiefen. Er wollte echte Verbindungen, ich wollte flüchtige Bekanntschaften. Er verstand nicht was mir das gab, ich verstand nicht warum er Sex nicht von Gefühlen trennen konnte. Wir hatten beide Probleme die Bedürfnisse des anderen so wertzuschätzen wie die eigenen. Er musste sich damit auseinander setzen, wie weit er mich loslassen konnte und ich musste erforschen, ob ich eine andere Person als ihn in mein Herz lassen konnte. Wir mussten beide auf unsere Art loslassen und zulassen lernen.
Das alles ist noch kein Jahr her. Wir stecken immer noch unsere Grenzen ab, nur um sie dann wieder auszureißen und an anderer Stelle wieder aufzustellen. Wer sich auf eine Beziehung einlässt, geht von ungeschriebenen Gesetzen aus, die vorgelebt, sozialisiert und erprobt scheinen. Viele dieser Vereinbarungen sind uns gar nicht klar, bis wir auf sie stoßen. Vereinbarungen schenken Sicherheit und Geborgenheit. Das Gefühl, dass einem die Werte und Wünsche des Partners nicht egal sind. Dass auf uns geachtet wird. Doch sie müssen verhandelbar sein, denn wir befinden uns nicht in einer Geschäftsbeziehung, sondern in der Liebe.
Unsere “Regeln” für die offene Beziehung mussten noch definiert werden
Und der Liebe steht immer voran, dass wir möchten, dass der andere glücklich ist ohne uns selbst zu sehr aufzugeben. Es ist ein Drahtseilakt. Was darf ich verlangen? Und was gibt mir das? Wenn ich die Vereinbarung aufstelle, dass wir unseren anderen Partnern keine Geschenke machen, warum tue ich das dann? Weil ich ihnen die Aufmerksamkeit nicht gönne, oder weil dem eigentlich zugrunde liegt, dass ich mir selbst häufiger Geschenke wünsche und so die Befürchtung habe, am Ende noch weniger zu kriegen? Wenn mein Partner nicht möchte, dass ich bei meinen Dates übernachte, was liegt dem dann zu Grunde? Neid auf die gemeinsame Zeit, oder die Angst vor der Einsamkeit, der Verlust der gewohnten Gemeinsamkeit?
Mehr als eine Person zu lieben löst in vielen von uns ein Urangst aus. Den Kampf um Ressourcen. Liebe, Zeit, Aufmerksamkeit …
Liebe ist eine unerschöpfliche Ressource. Das kann wahrscheinlich jede Mutter mit mehr als einem Kind bestätigen. Sie liebt ihr erstes Kind nicht weniger weil sie ihre Liebe nun „teilen“ muss. Doch wie messen wir Liebe? Wenn sie doch unsichtbar, unmessbar ist? Wir neigen dazu die Faktoren Zeit und Aufmerksamkeit als Instrument zu nutzen. Und dass ist leider eine Tatsache, die allen Poly-Menschen schmerzlich bewusst ist. Zeit ist endlich und Aufmerksamkeit nicht immer verfügbar.
Lotta ist fertig mit Duschen. Sie hat sich ein Handtuch um die nassen Haare gewickelt und gibt meinem … UNSEREM Mann einen Kuss. Sie lächelt mich an und kommt zu mir. In diesem Moment bin ich unfassbar glücklich, mich darauf eingelassen zu haben mein Herz für sie zu öffnen. Es ist nicht immer alles einfach und harmonisch, gar keine Frage. Aber ich habe einen neuen Leitspruch: „Liebe ist das einzige das nicht weniger wird, wenn man es teilt“