Beuteschema – was ist damit gemeint? Und wie wirkt sich ein Beuteschema auf unsere Partnerwahl aus? Der bekannte Beziehungsberater Eric Hegmann gibt Antwort
Muster bei der Partnerwahl
Partnerwahl geschieht aktiv. Viele Menschen beklagen jedoch, dass sich immer wieder auf den Falschen einlassen. Sie glauben, in einem bestimmten „Beuteschema“ gefangen zu sein. Dabei handelt es sich oft gar nicht um den falschen Mann oder die falsche Frau, vielmehr wiederholen bei der Partnerwahl nicht wenige Menschen immer wieder dieselben negativen Beziehungsmuster. Dabei geht es mehr um die Gestaltung des Miteinanders, das eigene Verhalten und die selbst gewählte Rolle in einer Partnerschaft, als um die Charaktereigenschaften eines anderen Menschen – auch wenn diese gerne als Ursache herangezogen werden, sobald die Verbindung nicht glücklich verläuft.
Gefangen im Beuteschema?
Warum so viele Menschen ihr Interesse wiederholt auf denselben Partnertypus mit der gleichen Beziehungsstruktur richten, auch wenn er ihnen in der Vergangenheit nicht gut getan hat, ist folgendermaßen zu erklären: Bei der Partnerwahl spielen unbewusst die eigenen frühkindlich erworbenen Beziehungsmuster eine große Rolle. Frühere emotionale Erfahrungen zwischen Kind und Eltern sowie anderen vertrauten Personen, vor allem in den ersten drei Lebensjahren, prägen unser Beziehungsverhalten ein Leben lang. Die frühkindlich erworbenen Muster wiederholen sich demnach unbewusst in späteren Partnerschaften, natürlich unter Einbeziehung neuer Erlebnisse.
Im Vordergrund steht hier nicht die Frage der äußerlichen Anziehungskraft, sondern ein ganz bestimmtes Muster, das sich zum Teil von Anfang an oder erst mit der Zeit in jeder Beziehung durchsetzt. Häufig existiert ein zentrales Konfliktthema wie zum Beispiel:
- Nähe und Distanz
- Vertrauen
- Emotionales Einlassen
- Dominanz
- Unterordnung
Der Einfluss negativer Erlebnisse auf unser Beuteschema
Leider haben vor allem negative Erlebnisse in der Kindheit einen großen Einfluss auf die Gestaltung von emotionalen Beziehungen im Erwachsenenalter. Aus diesen Erfahrungen können Ängste resultieren, die überwiegend unbewusst sind. Und gerade jene Ängste führen häufig sogar zu einem neurotischen Verhalten innerhalb einer Partnerschaft. Dies kann sich etwa in einem unangemessenen Nähe-Distanz-Bedürfnis eines Menschen äußern, vom völligen Klammern aus der übersteigerten Angst heraus, verlassen zu werden, bis hin zu extrem distanziertem Verhalten und einer eher geringen Bereitschaft, sich dem Partner emotional zu öffnen. Zudem entwickeln die Betroffenen aus Angst vor Verletzungen starke Selbstschutzmechanismen. Wer in den ersten Lebensjahren dem Verlust einer engen Bezugsperson ausgesetzt war, dem kann es als Erwachsener schwer fallen, Vertrauen in einer Liebesbeziehung zu entwickeln.
Natürlich gibt es auch positive Beziehungsmuster, die hier nicht verschwiegen werden sollen. Dennoch sind es überwiegend die negativen Muster, die es vielen Menschen so schwer machen, eine glückliche Partnerschaft zu führen. Stabile, positive Beziehungserfahrungen in der Kindheit sind beispielsweise gute Vorraussetzungen, um im Erwachsenenalter eine vertrauensvolle Bindung zu entwickeln und eine harmonische und den Bedürfnissen beider entsprechende Partnerschaft aufzubauen. Die negativen hingegen belasten häufig unser Beziehungsleben.
Warum tappen viele durch ein Beuteschema immer wieder in die gleiche Falle?
Aber warum werden wir in dieser Angelegenheit nur selten durch Erfahrung klug? Warum tappen wir immer wieder in die gleiche Falle? Oder folgen vielmehr dem gleichen Muster?
Der Vorsatz „Beim nächsten Partner wird alles anders“ kann noch so groß sein, nach einiger Zeit finden nicht wenige von uns sich doch wieder in der gleichen Sackgasse und hoffen, das Déjà-vu-Erlebnis möge sich am nächsten Tag als Fata Morgana entpuppen.
Wenn neurotische Ängste und Beziehungsmuster unbewusst bleiben, drängen sie förmlich auf Wiederholung. Haben wir als Kinder schlechte emotionale Erfahrungen gemacht, erleben wir als Erwachsene unsere eigene Handlungskompetenz in einer Partnerschaft als geringer. Deshalb reagieren wir auch so häufig mit Enttäuschung, anstatt selbst die Kontrolle zu übernehmen.
Kein Grund zur Resignation: Was Sie tun können
Selbst nach der fünften negativen Erfahrung dürfen Sie sich nicht geschlagen geben und dem scheinbar unausweichlichen Schicksal erliegen. Ein jeder kann hinderliche Beziehungsmuster erkennen und verändern. Es bedarf dafür allerdings der uneingeschränkten Bereitschaft, genau hinzuschauen, das Bisherige zu reflektieren und zu verstehen.
Betrachten Sie daher einmal Ihre bisherigen Beziehungen, und analysieren Sie, welche Rollen Sie und Ihr Partner darin eingenommen haben. Es ist durchaus sinnvoll, gründlich Bilanz zu ziehen.
Welche Ängste und Gefühle haben Sie in der Beziehung begleitet? Welche zentralen Konfliktthemen waren vorrangig?
Fragen Sie sich, ob die Streitpunkte oder Themen in verschiedenen Partnerschaften von ähnlicher Natur waren. Lässt sich ein roter Faden erkennen?
Zentrale Themen können beispielsweise sein:
- Wie sehr bringe ich mich in die Beziehung ein?
- Lasse ich mich ausnutzen, ohne selbst etwas zu fordern?
- Habe ich immer Verständnis für das Verhalten meines Partners und akzeptiere vieles über meine Grenzen hinaus, weil ich Angst habe, ihn zu verlieren?
- Bin ich jemand, der sich nur bis zu einem gewissen Punkt verlieben und einlassen kann und der zumacht, sobald es um tiefere Gefühle geht?
- Suche ich mir eher Partner, die mir unterlegen sind, damit ich mich stark, unabhängig und überlegen fühlen kann?
- Traue ich mich an diejenigen Partner nicht ran, die mich zutiefst faszinieren, aus Angst, sie könnten mir zu nahe kommen und ich könnte die Kontrolle verlieren?
- Suche ich das Unerreichbare, verliebe ich mich immer wieder in einen verheirateten Mann oder eine liierte Frau und gebe mich für eine Zeit einer leidenschaftlichen Affäre hin, die unglücklich endet?
- Vermeide ich damit nicht eher eine echte, tiefergehende Beziehung, aus Angst, verletzt zu werden?
Kommen Ihnen einige dieser Punkte bekannt vor? Nehmen Sie sich ruhig ein bisschen Zeit, um den Gedanken und Gefühlen nachzuspüren, die beim Lesen dieser Sätze aufkommen. Am besten schreiben Sie die Ergebnisse Ihrer Analyse auf, damit sie nicht verloren gehen.
Auch Trennungsgründe sind informativ
Darüber hinaus sind Trennungsgründe immer auch aussagekräftige Hinweise: Gibt es vielleicht Ähnlichkeiten bei den Abläufen? Gerade in Extremsituationen zeigen sich elementare Beziehungsthemen, die im Alltag eher unter der Oberfläche schwelen.
Auch eine genaue Betrachtung der Eigenschaften Ihrer vorherigen Partner ist sinnvoll.
- Was macht einen Menschen für Sie interessant?
- Welche typischen Verhaltensweisen Ihres Gegenübers und Dynamiken im Miteinander ziehen Sie an?
- Wünschen Sie sich eher einen einfühlsamen und Harmonie suchenden Menschen, der Nähe sucht, doch nach der anfänglichen Verliebtheit wird ihnen so jemand schnell langweilig?
- Oder sind Sie eher der Typ, der sich in Gegenwart einer dominanten, starken Person geborgen fühlt, später aber feststellen muss, dass er kaum etwas selbst bestimmen darf und ihm nur wenig Freiheiten zugestanden werden?
Wenn Sie all diese Kriterien kritisch prüfen, werden Sie schnell erkennen, welchen Mustern Sie bisher gefolgt sind und wie diese Sie bei der Partnerwahl beeinflusst haben.