Paarzufriedenheit – Kosten-Nutzen-Rechnung

Die Kosten-Nutzen-Kalkulation

Paarzufriedenheit lässt sich messen. Doch es braucht keine Wissenschaft, um selbst herauszufinden, wie glücklich man sich in seiner Beziehung fühlt: Wir alle haben einen kleinen Rechner eingebaut, der Kosten und Nutzen der Beziehung miteinander abgleicht. Vor allem die Bindungshaltung der Partner definiert, wie sich Beide in der gemeinsamen Beziehung fühlen, da die Bindungshaltung sehr viel mit deren Erwartungen und Wünschen an eine Beziehung zu tun hat. Im Detail können das einzelne Faktoren von Sex bis Versorgungsgedanke sein, in Gänze lässt sich zusammen fassen:

Es braucht in einer Beziehung ein hohes Ausmaß von Positivität, damit diese dauerhaft tragfähig bleibt.

Wenn Positivität so immens wichtig ist, was kann man darunter verstehen? Positivität beschreibt, dass beide Partner das Gefühl haben, in einer sicheren und verlässlichen Beziehung zu leben. Sie fühlen sich einander verbunden, sind bereit sich persönlich zu engagieren für den Partner und die Beziehung, und sind zufrieden mit dem gemeinsamen Sexleben. Aus solch erfüllten Hoffnungen entsteht also eine Grundhaltung, die den Partnern erst ermöglicht, das Miteinander positiv zu erleben. Weniger wissenschaftlich ausgedrückt geht es darum, die eigene Beziehung optimistisch sehen zu können.

Eine optimistische Grundhaltung basiert am Ende auf der individuellen Kosten-Nutzen-Rechnung.

Darin vergleichen wir unsere aktuelle Beziehung mit früheren Liebeserfahrungen – und jeder rechnet sie anders. In der Folge bewerten wir unsere eigene geschätzte Attraktivität für neue Partner, also wie unser Marktwert denn für eine andere Beziehung aussehen würde, und prüfen, welche Alternativen wir gegebenenfalls hätten. Am Ende wägen wir schließlich die Trennungshindernisse ab. Dieser Rechenvorgang geschieht häufig unbewusst, aber er geschieht bei jedem und das ständig.

Trennungshemmnisse sind zum Beispiel eine gemeinsame Wohnung, gemeinsam angeschaffte Güter, natürlich die Kinder, aber auch so genannte soft facts wie gemeinsame Erlebnisse. Vor allem diese verleihen der gemeinsamen Lebensgeschichte einen hohen Wert.

Wer am Ende dieser Kalkulation dauerhaft das Gefühl hat, in einer Beziehung mehr zu geben als zurückzubekommen, wird irgendwann die Notbremse ziehen. Dann wird entweder gleich die Partnerschaft beendet oder es werden positive Emotionen in Affären gesucht.

Jeder Mensch wägt so ab, und es wäre vermessen, dies dem Partner verbieten zu wollen – oder auch sich selbst. Dabei dürfen wir den Blick auf die Realität nicht verlieren: Niemand ist perfekt, keine reale Beziehung würde einer täglichen Abrechnungsprüfung standhalten. Positivität in einer Beziehung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sich glückliche Partner nur sehr selten dieser Kosten-Nutzen-Rechnung gegenseitig aussetzen.

Wenn die Realität hereinbricht fragen wir uns: “Kann ich meinen Partner dauerhaft lieben, obwohl er nicht perfekt ist?” Wer sich entscheidet, sich dieser Frage zu stellen und nicht umgehend nach einem scheinbar besseren Partner sucht (um vermutlich nach kurzer Zeit erneut an den gleichen Punkt zu gelangen), steht vor einer der größten Herausforderungen in einer Beziehung.

Sich etwas vorzumachen, den Partner und die Beziehung schön zu reden, kann nicht der richtige Weg sein, denn dabei würde man ja die Realität zu weit aus den Augen verlieren. In Übungen während der Paartherapie werden beispielsweise Paare gebeten, Tagebuch über Ihre Beziehung zu führen. Eine Woche später werden die aufgezeichneten Ereignisse ausgewertet. Positive Paare vermögen meist sehr präzise solche Ereignisse aufzuzählen. Werden diese dann jedoch mit dem Tagebuch und den tatsächlichen Ereignissen verglichen, stellt man rasch fest, dass die positiven Paare die positiven Ereignisse überschätzen – sie scheinen die negativen als weniger wichtig anzusehen und berücksichtigen sie kaum in ihrer Bewertung der Beziehung. Bei unzufriedenen Paaren ist es meist genau umgekehrt.

Zur Positivität gehört es also durchaus auch, das zur Hälfte gefüllte Glas als halb voll und nicht als halb leer zu sehen.

Doch ist ein solches Denkmuster überhaupt lernbar? Kann man aus einem Pessimisten einen Optimisten machen? In seinem Bestseller “Pessimisten küsst man nicht. Optimismus kann man lernen” behauptet Martin E. P. Seligman, dass jeder sich zu Optimismus in gewissem Maße entscheiden kann[1].

“Pessimisten küsst man nicht. Optimismus kann man lernen” behauptet Martin E. P. Seligman

Wer das tut, wird entdecken, dass die Qualität eines Partners nicht durch einen eindeutigen Maßstab definiert werden kann. Eine objektive Realität kann es in Beziehungen gar nicht geben, sondern nur subjektive Einschätzung. Der Wille, die Beziehung im bestmöglichen Licht zu sehen, ist danach der “Trick”, nicht, sich überzogenen Illusionen eines Traumpartners hinzugeben, von dem man doch im nächsten Schritt zwangsläufig enttäuscht wird.

Der Grad zwischen Projektionsfalle und Positivität ist hierbei schmal, doch wer ihn beschreiten kann, kann sich wie durch einem Liebesimmunschutz gegen Verlockungen von Außen schützen. Und im Vergleich erscheinen plötzlich die möglichen anderen Partner nicht mehr sonderlich spannend.

[1] Martin E. P. Seligman : “Pessimisten küsst man nicht. Optimismus kann man lernen”, Droemer Knaur, 1991


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