Ja, Schenken ist eine anstrengende Zumutung
Mit dem „Nichts-Schenken“ nehmen wir uns den letzten Rest der Nicht-Ichbezogenheit, der uns geblieben ist. Kein Geschenk. Keine Mühe. Keine Gedanken. Keine Beziehung. So einfach. Was dagegen nicht einfach ist: Der Schenkungsakt. Insbesondere dann, wenn es um die Liebsten geht. Und mit Liebsten ist hier ausnahmsweise nicht der Onkel gemeint, der vermeintlich enttäuscht wäre, wenn man nicht den noch schnell am 24. ausgedruckten Gutschein unter das Nadelgehölz legt. Damit das klar ist, darum geht es hier nicht.
Es geht eben nicht um irgendein oder kein Geschenk. Es geht um DAS Geschenk. Das eine, das richtige, das perfekte Geschenk. Es geht um Mühe, Aufmerksamkeit und Beschäftigung mit der*m zu Beschenkenden. Klingt nach Stress? Ist es auch. Riesen-Stress sogar. Eigentlich eine Zumutung. Denn es ist wahnsinnig anstrengend, verdammt harte Arbeit und detektivische Meisterleistung. Das Dumme ist: Am Ende kann man trotzdem noch falsch liegen. Total durchdacht und trotzdem daneben.
Wie die Liebe selbst: Schenken als Risiko
Aber genau das macht ein gutes Geschenk aus, es steckt sozusagen ein Risiko darin. Nicht umsonst ist Schenken eine Liebesprache. Das Risiko lässt sich nur minimieren, wenn man richtig eintaucht in das zu beschenkende Gegenüber. Schenken bedeutet den anderen zu begreifen, zu erkennen, was ihn ausmacht. Es bedeutet Zwischentöne zu hören, Spuren zu verfolgen. Wenn wir uns dieser Mühe einander nicht mehr wert sind, dann sind wir beziehungstechnisch verloren.
Was damit deutlich wird: Irgendetwas zu schenken ist nicht zielführend. Mutti die praktische Küchenmaschine zu bescheren, weil die gern kocht (oder einfach nur immer?) ist ebenso wenig hilfreich, wie Vati den 22. Schal umzuhängen. Das kann nur dann eine Option sein, wenn Mutti schon sechs wertvolle Küchenhelfer im Schrank hat, diese sammelt und auf den einen schon so ewig erpicht ist. Und der über Jahre vergriffen ist und nur über ein Studium der Suchmaschinenoptimierung oder über eBay Kleinanzeigen in der hintersten Ecke der Republik gebraucht zu ersteigern war.
Geschenke sind Beziehung
Wenn wir über Geschenke reden, dann reden wir über Beziehung. Wir reden über Emotionen. Über Nähe. In einer Liebesbeziehung sollte Schenken deshalb niemals zu einem „kann ich gut gebrauchen“ degradiert werden. Klar kann es mal passen, etwas zu schenken, was sich in den Alltagsgebrauch integrieren lässt. 95 Prozent der über 20-Jährigen haben allerdings eh alles, was sie brauchen und den Rest kaufen sie sich in der Regel einfach selbst. Gutscheine und Geld sind obsolet, weil sie im Grunde genommen das Emotionale des Schenkens vollständig negieren. Ich würde mich scheiden lassen, wenn mein Mann damit unter der Tanne sitzt.
Überhaupt darf niemand das Weihnachtsfest dazu missbrauchen, etwas zu überreichen, was der andere braucht. Das lässt sich in alle anderen Tage des Jahres gut einarbeiten, wenn man der*m Liebsten einfach mal die Last abnehmen will, sich selbst darum zu kümmern. Dann wäre es sogar ein ausgesprochen gutes Geschenk, weil mitgedacht und Freude gemacht.
Schenken erfordert Mut
Auch auf die Gefahr hin noch snobistischer zu werden: Ein Geschenk für die Liebsten ist immer ein „Add-on“, ein Extra, etwas, auf die sie nicht gewartet haben, etwas Besonderes. Das Tolle ist: Es darf sogar völlig nutzlos und unpraktisch sein, vielleicht sogar absurd oder skurril, wenn der Mensch an deiner Seite sich gern überraschen lässt, neugierig und experimentierfreudig ist. Warum nicht nach etwas völlig Abwegigem suchen? Etwas, was ihn und vielleicht sogar euer Miteinander bereichert, sein Leben bunter und fröhlicher macht. Eine unbrauchbare aber unverzichtbare Freude.
Allerdings: Je schrulliger das Geschenk, desto größer die Gefahr. Ein Geschenk zu machen, erfordert Mut. Mut sich zu zeigen. Vielleicht erkennt deine Partner*in, dass du ihn oder sie nicht richtig erkannt hast. Oder, dass du doofe Ideen hast. Dass ihr euch nicht nahe seid. Aber deshalb darauf zu verzichten? Das ist wie auf eine Beziehung zu verzichten, weil man scheitern könnte. Nochmal: Geschenke sind auch Liebe.