Vor ein paar Tagen musste ich zum Zahnarzt. Und das war nicht das Schlimmste. Regelkonform saß ich mit zwei anderen Patientinnen jeder in seinem Wartezimmereckchen, als eine Sprechstundenhilfe etwas hineintrug, was sich als eine Art weihnachtliche Deko herausstellte. Eine offensichtlich von dieser Geste motivierte Mitpatientin äußerte daraufhin folgenden Satz: „Ach ja, jetzt fängt das wieder an. Aber ich bin zum Glück raus aus der Sache. Mein Mann und ich schenken uns schon seit Jahren nichts mehr zu Weihnachten. Was soll ich ihm auch schon groß schenken, er hat ja alles.“
Die Sprechstundenhilfe war gegangen. Meine gerade aufkeimende jahresendberauschende Stimmung ebenfalls. Aber es sollte schlimmer kommen. Denn die Dritte unserer Warterunde fühlte sich nun ihrerseits berufen, uns ihre prinzipielle Weihnachtskonsumfeindlichkeit kundzutun. Sie und ihr Partner würden diesem Geschenkewahnsinn ebenso entsagen, denn dies sei weder mit ihrem ökologischen Verständnis noch mit der eigentlichen weihnachtlichen Bestimmung zu vereinbaren.
Ihre Designer-Handtasche lässig auf die Knie ablegend, fügte sie hinzu, dass diese ganze ungehemmte Konsum-Ekstase sowieso alles andere als zeitgemäß wäre. So viel war jetzt klar: Ihr Täschchen hatte offenbar nicht der Weihnachtsmann gebracht. Und ich wurde auf den Behandlungsstuhl gerufen.
Weihnachten steht vor der Tür
Gar keine Frage. Auf eine vollumfängliche, epileptische Anfälle auslösende Blitzblinklichterketten-Bestückung des Gartens und anliegender Wohnbereiche zu verzichten und damit der allgemein zunehmenden Lichtverschmutzung entgegenzuwirken, ist vom ökologischen Standpunkt aus absolut zu unterstützen. Ohnehin schont es die Nerven der nicht ganz so lichtaffinen Nachbarn.
Auch mag es hier und da möglich sein, ganz ohne Geschenke ein schönes Fest zu verbringen. Aber es sind eben gerade nicht die Leute, die sich sowieso schon das ganze Jahr in konsumistischer Selbstbeschränkung üben, sondern diejenigen, denen am ersten Advent einfällt, dass man es doch dieses Jahr unter dem Weihnachtsbaum einfach mal nicht ganz so übertrieben krachen lassen sollte wie in den Jahren davor.
Es war also wieder so weit. Weihnachten ist da. Und alle, die das am Lautesten kundtun, sind ausgerechnet Geschenkeverweigerer und Weihnachtsschmoller. Jene, die sich nicht leise raushalten können, sondern ihre Stimmung mit überlegener Miene herauskrakeelen und allen anderen die Stimmung verhageln.
Es ist der kurzzeitige Überdruss vom Überfluss und keineswegs eine generöse Opferbereitschaft oder besondere antimaterialistische Haltung. Es ist kein Ausstieg aus der Maßlosigkeit, wenn sich das Abwenden vom Konsumwetteifer darauf beschränkt, dem Weihnachtsmann den Zutritt zu verwehren. Genauso wie man eben nicht zwischen Weihnachten und Neujahr dick wird, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten.